Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
des alten Ritters wie vom Gehorsam seines Sohnes, füllte den Becher des jungen Ritters ein weiteres Mal mit Wein.
»Unser Bader hier hat auch im Heiligen Land gedient!«, warf Herr Berthold spöttisch ein. »Ihm hat's besser gefallen, oder?«
Salomon zuckte die Achseln. »Auch das schönste und heiligste Land verliert an Reiz, wenn es mit Blut getränkt wird«, sagte er leise.
Herr Charles nickte eifrig. »So etwas hat mein Vater auch gesagt. Na ja, und er ist alt und krank ... ich wollte ihn nicht verärgern ... Aber jetzt, da der König Männer sucht, um die Ländereien der Plantagenets zu verteidigen ... hm ... ich meine natürlich seine Ländereien gegen die räuberischen Plantagenets ...«
»Sind diese Ländereien nicht seit Generationen in der Familie des Königs Richard und der Herrin Aliénor?«, fragte Gerlin streng und setzte zu einem Vortrag an. »Meines Wissens stammt Richard Plantagenet in direkter Linie von Gottfried von Anjou ab, zu dessen Stammlanden Tours und Le Mans gehörten. Durch seine Ehe mit der Erbin des anglo-normannischen Reiches erhielt er obendrein die Normandie, und sein Sohn Heinrich freite die Erbin von Aquitanien - Eleonore, oder Aliénor, wie sie in ihrer Heimat genannt wurde.«
Gerlin hielt inne, als Salomon sie leicht, aber entschlossen in den Arm kniff. Sie biss sich auf die Lippen. Diesmal hatte Herr Berthold ihre Ausführungen sicher gehört.
Herr Charles zuckte die Schultern. »Herrin, ich weiß davon nichts!«, erklärte er freimütig. »Aber der König ruft seine Ritter zu den Waffen, und ich brenne darauf, mir ein Lehen zu erwerben. Ob das Land nun verteidigt oder erobert oder rückerobert wird, ist mir ziemlich gleichgültig. Ich werde meine Kämpfe ehrenhaft bestreiten. Was der König tut ...«
Er sprach nicht weiter. Womöglich hatte ihm auch schon sein offensichtlich sehr verständiger Vater entsprechende Vorhaltungen gemacht.
Gerlin sah Herrn Charles ungnädig an, aber dann leuchtete das Gesicht des jungen Ritters auf. »Ich könnte meine Kampfkraft natürlich auch dem König Richard zur Verfügung stellen. Wenn Ihr denn meint ... also wenn ich denn befinde, dass sein Anspruch auf die umstrittenen Gebiete eher berechtigt ist ... Wir sollten das wirklich noch einmal überlegen!«
Charles wandte sich an die Ritter in seinem Gefolge, die nicht alle so begeistert von dem Feldzug wirkten wie der Jüngling. Die älteren von ihnen hatten sicher eine recht feste Stellung auf der Burg bei Chalon und waren schon mit Charles' Vater in den Krieg gezogen. Sie zeigten wenig Lust, das jetzt gleich wieder zu tun, aber sie standen offensichtlich loyal zu ihrem Herrn und schienen den Auftrag erhalten zu haben, dessen Sohn im Zweifelsfall vor sich selbst zu beschützen. Gerlin erinnerten einige von ihnen an Herrn Adalbert, und sie dachte voller Herzenswärme und Wehmut an den alten Ritter.
Einige andere Kämpfer aus Charles' Tross waren allerdings ähnlich junge Heißsporne wie ihr Anführer und freuten sich auf die Kämpfe - zumal sie auch weniger mit Blut und Tod, Dauerregen, Nässe und Schlamm rechneten denn mit einem turnierähnlichen Schlagabtausch in freundschaftlicher Atmosphäre. Auch ihnen schien ziemlich egal zu sein, auf wessen Seite sie kämpften - im Turnier war es schließlich auch nicht so wichtig, wem man sich anschloss. Bei ihrer anschließenden, sehr ernsthaften Diskussion der Frage »Richard« oder »Philipp« ging es denn auch weniger um die Rechte der Fürsten an den umstrittenen Ländern als um ihre Siegchancen - und damit die Möglichkeit für ihre Anhänger, ein Lehen zu erhalten.
Salomon und die älteren Ritter tauschten wissende Blicke, als die jungen mit glänzenden Augen vom ritterlichen Streit schwärmten. Sie würden schnell genug herausfinden, wie blutig ein Kampf war und wie endgültig der Tod.
Am nächsten Tag verarztete Salomon als Erstes etliche Wehwehchen der jungen und alten Ritter und ihrer Pferde. Er wusste Rat gegen den hartnäckigen Husten eines der erfahrenen Streiter und das schmerzende Knie eines anderen, rieb die Sehne eines Schlachtrosses mit Kampfer ein und empfahl, die entzündete Fesselbeuge eines anderen mit altem Wein zu waschen und dann möglichst trocken zu halten.
Aber auch Abram gelang an diesem Tag ein Beitrag zum Auffüllen der Reisekasse, was bitter nötig war. Das Geld, das Salomon von seinem Bruder geliehen hatte, war längst aufgebraucht, und auch Gerlin hatte inzwischen alle Schmuckstücke versetzt - außer einem
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