Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
Schwertkampf nicht nur mit dem Gewicht der Gegner zu tun hatten, sondern auch mit dem festen Stand der Kämpfer. Florís de Trillon hätte sich zweifellos nie streitend auf eine solche Stiege begeben ... Rüdiger von Falkenberg überlegte erstmals, ob das Leben eines Fahrenden Ritters wirklich so erstrebenswert war, wie er bislang gedacht hatte. Nach dem Fall schmerzten ihn alle Glieder, er hätte sich leicht das Genick brechen können - bevor er die Möglichkeit gehabt hatte, Ruhm anzuhäufen, ein Mädchen zu freien, sich auch nur eine Minneherrin hatte wählen können! Rüdiger dachte in der letzten Zeit öfter an Mädchen als an den Krieg. Und wenn er jetzt verstohlen zu der sehr leicht bekleideten, strahlend schönen Miriam hinüberlinste, so erschien ihm ein Lehen in Oberfranken eigentlich als gar nicht so unattraktive Alternative zum Abenteuer.
Auf halbem Wege zum Heerlager trafen die Reiter denn auch auf Florís de Trillon und seine Einsatztruppe junger Ritter. Einige von ihnen wirkten bezecht, aber Florís hatte doch Besonnenheit bewiesen, indem er sich nicht allein auf eine unsichere Rettungsaktion begab. Florís war zunächst zu Miriams und Abrams Wagen zurückgeritten und aus der Fassung geraten, als er dort niemanden antraf. Aus den Angaben der Bader und Marketenderinnen, die in der Nachbarschaft kampierten, hatte sich nicht viel schließen lassen, aber letztendlich hatte Florís den Knappen aufgetrieben, bei dem Hansi den Streithengst geliehen hatte. Der Knabe hatte inzwischen etwas Angst bekommen und wandte sich bereitwillig mit seinen Sorgen um das Pferd seines Herrn an den anderweitig beunruhigten Ritter. Er zumindest würde in dieser Nacht gut schlafen können, Abram brachte das Tier schließlich wohlbehalten zurück.
»Und du jagst mir nie wieder so einen Schrecken ein«, wandte sich Florís immer noch aufgebracht an Gerlin. »Himmel, konntest du nicht wenigstens diesen Knappen schicken, um mir kundzutun, was geschehen ist und wo ihr seid?« Er wies auf Hansi.
Gerlin lächelte. »Den haben wir dringlich gebraucht«, bemerkte sie mit einem warmen Blick auf den Kleinen, der wieder mal guckte, als könnte er kein Wässerlein trüben. »Unser Johann vom Galgenhügel wird mal ein trefflicher Ritter!«
»Nur wenn der Name nicht an ihm haften bleibt«, brummte Rüdiger, immer noch ein wenig in seiner Ehre gekränkt.
Abram grinste. »Wir finden heraus, wie man das in der Langue d'oc ausdrückt«, bemerkte er. »Das versteht dann kein Mensch.«
»Aber es ist doch sehr bedenklich, dass Roland von Ornemünde immer noch hinter uns her ist«, vertraute Gerlin Florís ihre Sorgen an, als das Gelächter der Ritter sich gelegt hatte. »Ich werde keine ruhige Minute mehr haben, bevor Dietmar nicht sicher in der Burg dieses Linhardt von Ornemünde ist. Habt Ihr ihn übrigens kennengelernt? Wäre doch naheliegend, dass er sich Richards Heer angeschlossen hat.«
Florís zuckte die Schultern, ein wenig gekränkt, dass Gerlin wieder die förmliche Anrede wählte. Er selbst hatte sie geduzt, seit er sie wiedergetroffen hatte, aber nach der ersten Freude hatte er nun das Gefühl, als ob sie sich wieder vor ihm zurückzöge. Auf jeden Fall stand etwas zwischen ihnen.
»Nicht unbedingt«, antwortete er jetzt. »Vielleicht hält er auch sein Lehen gegen die französischen Usurpatoren. Die meisten Burgherren sind auf ihren Anwesen geblieben und haben sie verteidigt. Nur wenn es König Philipp gelungen ist, eine Burg zu erobern, hat sich ihre Besatzung dem englischen Heer zugesellt.«
Gerlin seufzte. »Aber wird Loches nicht von den Engländern belagert? Ich hörte, König Richard sei auf dem Weg dorthin gewesen ... War er übrigens sehr erbost?«
Florís lachte. »Über dich oder seinen Bruder? Also Letzteren hätte er wohl am liebsten auf der Stelle gevierteilt. Während du durchaus mächtige Fürsprecher hast. Die Herrin Aliénor freut sich darauf, dich zu sehen.«
Gerlin lächelte. »Richard ist eben ihr Lieblingssohn. Sie ist ihm sogar bis nach Sizilien gefolgt.«
»Und sie wird vollstes Verständnis dafür aufbringen, was du bereit warst, für Dietmar zu tun«, sagte Florís. »Wir sehen den König morgen.«
Gerlin stand ratlos vor ihrer Garderobe, bevor sie am nächsten Morgen zum Zelt des Königs aufbrach. Florís war bereits da und hielt Wache vor dem Planwagen - Gerlin hatte den Verdacht, dass er dort auch die Nacht verbracht hatte. Zweifellos wagte er nicht, Dietmar aus den Augen zu lassen, und ebenso
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