Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
Ritter meines künftigen Gatten sind ihm treu ergeben.«
»Über diese Dinge kann man geteilter Meinung sein!« Luitgart schien die höfische Rede mit ihren Andeutungen und Schmeicheleien langsam leid zu werden. »Der Herr Roland von Ornemünde - der hier freundlicherweise im Auftrag der Familie den Vormund meines Stiefsohns ersetzt - ist der Ansicht, ein Burgherr sollte den Kampf im Fall einer Fehde nicht allein seinen Rittern überlassen.«
Gerlin lächelte. »Das kann man in der Tat, Frau Luitgart, und was für ein treffliches Thema für ein höfisches Streitgespräch wäre es doch! Meine Ziehmutter, die Herrin Aliénor, wäre entzückt gewesen. Und vielleicht hätte sie sogar Eure Partei vertreten, ist ihr Sohn König Richard doch ein gar tapferer Kämpfer! Aber ich würde ihr mit der Position des König Artus entgegenhalten: Auch er war kein Herkules, aber seine ritterlichen Tugenden und seine Liebenswürdigkeit halfen ihm, so manche Fehde zu vermeiden - und dazu, die besten Ritter seiner Zeit als überaus schlagkräftige Truppe um sich zu versammeln. Wir sollten das wirklich einmal ausführen, Frau Luitgart, und auch die Herren Roland und Florís hinzuziehen. Aber jetzt lasst uns über minniglichere Dinge reden, die Frauen besser anstehen. Habt Ihr dieses Gewand selbst zugeschnitten? Es kleidet Euch vorzüglich - obwohl ich annahm, Euch noch im schlichten Kleid der Witwe anzutreffen.«
Gerlin plauderte auf liebenswürdigste Art weiter und schaffte es, das Thema nicht mehr auf den jungen Dietrich zu bringen, obwohl sie durchaus wie nebenbei über ihr Hochzeitskleid sprach. Schließlich täuschte sie Müdigkeit vor und bat förmlich, sich zurückziehen zu dürfen.
»Es war so erbaulich, mit Euch zu plaudern, Frau Luitgart!«, schmeichelte sie schließlich. »Seit ich den Hof der Herrin Aliénor verlassen habe, fehlte mir das Gespräch mit anderen Damen meines Standes, auch und gerade das schwesterliche Streitgespräch. Es würde mich glücklich machen, wenn Ihr nach meiner Vermählung auf Burg Lauenstein bleiben und hier Euren Witwensitz nehmen würdet. Oder plant Ihr eine neue Verheiratung?«
Gerlin konnte sich das Lachen kaum verbeißen, als sie der kleinen Magd und ihrer Fackel endlich wieder in ihre eigene Unterkunft folgte. Sie kämpfte jetzt mit dem Kopfschmerz, ein solches Gespräch hatte sie lange nicht geführt. Aber die Herrin Aliénor hätte sie belobigt: Diesen ersten Schlagabtausch hatte sie zweifellos für sich entschieden.
Kapitel 5
O bwohl um ihre Unterkunft herum des Nachts wirklich ein reges Treiben herrschte, schlief Gerlin gut auf dem weichen Lager, das die Lauensteiner wohl auch weniger geehrten Gästen zur Verfügung stellten. Und am Morgen erwies sich die eigentlich unziemliche Unterbringung der künftigen Burgherrin dann sogar als glücklicher Umstand.
Gerlin war eben aufgestanden, hatte sich von der kleinen Magd Milch und mit Honig gesüßten Brei bringen lassen und bürstete nun selbst ihr Haar vor ihrem geliebten venezianischen Spiegel. Sie hatte auch bereits ihr festliches Untergewand angelegt und erfreute sich an dem weichen Fall der Seide und dem fluoreszierenden Glanz des edlen Gewebes. Nach dem langen Schlaf war ihr Teint klar, und ihre Augen strahlten - nein, sie würde nicht zurückstehen vor der Schönheit der Herrin Luitgart, zumal sie als Mädchen ihre Haarpracht offen zur Schau stellen durfte! Gerlin fragte sich nur, wie Herr Florís das Zusammentreffen der künftigen Eheleute gestalten wollte. Förmlich, in der Halle des Burgherrn? Das wäre natürlich ziemlich, aber dazu mussten Frau Luitgart oder Herr Roland die Gäste einladen. Oder ganz »zufällig«, am Rande des Übungsplatzes für die Knappen, deren Kampfspielen die Burgfräulein gern zusahen?
Gerlin dachte angestrengt nach, als sie auf dem Wehrgang vor ihrem Gemach Stimmen hörte. Junge Stimmen, eine davon eindeutig die ihres Bruders Rüdiger.
»Nun kommt, Herr Dietrich, wo Ihr schon da seid. Sie ist meine Schwester, sie beißt Euch nicht!«
»Aber das ist nicht ritterlich, nicht höfisch. Ich kann doch nicht einfach ... ich ...« Eine Tenorstimme, fein moduliert, leise - und sehr besorgt.
»Ihr wolltet Euch anschleichen und sie sehen! Das ist auch nicht ganz höfisch. Also drückt Euch jetzt nicht!« Damit stieß Rüdiger die Tür auf, ohne sich mit Anklopfen aufzuhalten. »Gerlin! Hier bringe ich dir den Herrn Dietrich! Du brennst doch darauf, ihn kennenzulernen!«
Rüdiger kicherte und schob einen
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