Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
Herr Florís unterweist uns auch im Frauendienst. Aber ... es gibt hier halt nicht so viele Frauen ...«
Gerlin lachte schon wieder, sie fühlte Freude in sich aufsteigen. Ihr versprochener Gatte war so scheu und eifrig. Er rührte jetzt schon an ihr Herz. »Das werden wir ändern müssen, Herr Dietrich, wenn wir diesen Hof gemeinsam führen. Würde es Euch gefallen, wenn ich Mädchen zur Erziehung hierherholte? Vielleicht nicht gleich, aber ...«
»Aber wenn ich etwas älter bin!« Dietrich nickte ernst. »Ich sähe es sehr gern, wenn Ihr einen Minnehof führtet. Und Ihr müsstet Euch auch nicht sorgen, meine versprochene Gattin. Keine, keine jüngere und keine ältere Frau könnte Euch je an Schönheit überstrahlen. Wenn es mir gelingen würde, Eure Liebe zu gewinnen ... Ich holte Euch Euer Sternbild vom Himmel. Ihr seid im Haus der Waage geboren, nicht wahr? So muss ich mich um Gleichmaß und Gerechtigkeit bemühen, um Euren Stern leuchten zu lassen. Aber erzählt mir von Euch, Fräulein Gerlin! Was tut Ihr gern, womit verbringt Ihr Eure Zeit - spielt Ihr Schach?«
Gerlin konnte nicht anders, sie war verzaubert von seinem Balanceakt zwischen dem Ritter, der seiner Dame auf das Minniglichste schmeichelte, und dem Kind, das die neue Gefährtin viel lieber zu einem Spiel herausgefordert hätte.
»Ich spiele Schach, und ich würde mich gern einmal mit Euch darin messen«, beschied sie ihn. »Obwohl man Euch ja wahre Meisterschaft im Spiel der Könige nachsagt, sicher reiche ich nicht an Euch heran. Aber jetzt solltet Ihr gehen, mein Minneherr. Sicher habt Ihr Eure Pflichten, man wird Euch vermissen. Und verpflichtet meinen Bruder auf jeden Fall noch einmal zum Stillschweigen!«
Dietrich nickte. »Ich soll zum Lanzenstechen«, sagte er und klang nicht sehr begeistert. »Aber ich werde mich diesmal selbst übertreffen, wenn ich denke, dass Ihr mir vielleicht vom Söller aus zuseht!«
Gerlin zog rasch einen Seidenschal aus ihrer kleinen Reisegarderobe.
»So reitet mit meinem Zeichen in den Tjost, Herr Ritter, aber tragt es vorerst verdeckt. Ich denke, man wird uns einander heute noch offiziell vorstellen. So lange sollten wir unser Geheimnis wahren.«
»Wie echte Liebende, nicht wahr?«, versicherte sich Dietrich mit leuchtenden Augen.
»Wie große Liebende«, bestätigte Gerlin.
Wie sich herausstellte, hatte Rüdiger auf dem Wehrgang auf Dietrich gewartet. Oder ... »Schmiere gestanden«. Gerlin nutzte die Gelegenheit, ihn sich noch einmal vorzunehmen. Während Dietrich schon einmal zu den Ställen ging, zog sie ihren Bruder in ihre Kemenate.
»Was hast du dir dabei gedacht, den Jungen so zu kompromittieren?« Gerlin blitzte den Knappen an.
Rüdiger schüttelte den Kopf und wirkte dabei fast ein bisschen beleidigt. »Ich wollte ihm nichts Böses, das schwöre ich! Im Gegenteil, ich ... ich wollte ihn ein bisschen aufheitern. Weil wohl gestern alles schiefgegangen ist bei ihm. Er ist so freundlich. Am Abend hat er mich noch in Ehren willkommen geheißen und allen vorgestellt, obwohl es ihm wirklich nicht gut ging. Aber heute Morgen hänselt ihn Herr Theobald die ganze Zeit - er ist ein unangenehmer Kerl. Der Herr Florís hat schon Recht, wenn er ihn immer tadelt! Aber er ist wohl von sehr hoher Geburt.«
»Womit hänselt er denn den Herrn Dietrich?«, erkundigte sich Gerlin, die sich weit mehr für ihren versprochenen Gatten interessierte, als für die Abstammung des impertinenten »Herrn Theobald«. Ich mache so viele Fehler ... Sie hatte Dietrichs traurige Bemerkung noch im Ohr.
Rüdiger zuckte die Schultern. »Ach, da ist gestern wohl was vorgefallen, auf der Wildschweinjagd ...«
»Auf der was?«, unterbrach Gerlin. »Die Knappen waren auf einer Treibjagd?« Damit hatte sie nicht gerechnet. Als der Truchsess die Jagd erwähnt hatte, war sie von Falkenjagd oder einem anderen, eher harmlosen Vergnügen ausgegangen. Eine Treibjagd auf Wildschweine war dagegen nicht ungefährlich, zumal jetzt im Frühjahr. Die Bachen führten in diesen Monaten Frischlinge und waren bereit, sie bis aufs Blut zu verteidigen. »Wer jagt denn jetzt überhaupt Wildschweine?« Der übliche Zeitpunkt für Treibjagden waren der Herbst und der Winter.
Rüdiger konnte keine näheren Auskünfte geben. »Ich weiß nur, dass sie einen Kessel gebildet haben«, meinte er. »Und dann ging Dietrich das Pferd durch ...« Der Knappe verdrehte die Augen. Für Dietrich war das zweifellos eine höchst peinliche Angelegenheit gewesen. Von
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