Das Geheimnis der Puppe
sprechen. Sie hätte garantiert gefragt und gebohrt:»Wie geht es weiter.«
Aber eines Tages – Danny war drei Monate alt, und inzwischen gab es bereits an die fünfzig Seiten – kam Laura von selbst dahinter. Sie suchte nach einem Stift, nach dem Papierlocher oder nach sonst etwas, und plötzlich hielt sie diese Seiten in der Hand.
»Was ist das, Tom? Das kenne ich ja gar nicht.«
Ich wollte ihr die Seiten wegnehmen, druckste herum:»Ach, das ist nur ein Versuch.«
Aber Laura verzog sich damit in eine Ecke. Dann hörte ich nichts mehr von ihr. Normalerweise ließ sie es sich nicht nehmen, Danny zu baden. Das hatten wir eigens deshalb auf den Abend verschoben. Laura las nicht, sie fraß die Seiten in sich hinein. Als sie sie schließlich zurück in das Schubfach legte, in dem sie sie entdeckt hatte, war sie ganz still. Und ihr Gesicht trug diesen sonderbar abwesenden Ausdruck. Ein wenig ängstlich erkundigte ich mich, wie ihr der Anfang gefallen habe. Laura sah mich an, als hätte ich sie von weit her zurückgeholt.
»Es ist grauenhaft«, sagte sie.
»Du hast noch nie etwas mit Kindern gemacht. Aber warum eigentlich nicht? Warum soll nicht einmal ein kleines Kind das Opfer sein.«
Laura lachte ein wenig unsicher, zuckte mit den Schultern und fragte:»Wie soll es denn weitergehen.«
»Ich weiß es noch nicht genau«, gestand ich.
»Vielleicht ist es nur eine Spielerei.«
Laura nickte kurz. Dann bat sie:»Tu mir einen Gefallen, Tom. Wenn das Kind erwachsen ist, dann soll es sich rächen. Dieser Schweinehund muß bezahlen für das, was er seiner Tochter angetan hat. Das ist doch für dich kein Problem.«
Und dabei lächelte sie verlegen. Ich tat ihr den Gefallen, und eine Spielerei war es nicht. Es war mein Durchbruch, so nennt man das. Das Haus auf dem Hügel! Ein Jahr brauchte ich, um das Manuskript abzuschließen. Und als es endlich fertig war, hatte es mit der ursprünglichen Idee so gut wie nichts mehr gemein. Aus dem alten Sonderling war ein junger, besessener Wissenschaftler geworden, der in einem unterirdischen Labor eine Substanz entwickelte, mit der sich das Erbgut der Keimzelle verändern ließ. Für seine Experimente benutzte er ausschließlich Ratten. Aber eines Tages zog er sich eine winzige Verletzung zu, hantierte nicht vorsichtig genug, infizierte sich selbst. Bei ihm zeigten sich keine Auswirkungen. Aber wenig später mußte er feststellen, daß seine Geliebte ein Kind erwartete. Das war die Vorgeschichte. Sie war so in die Handlung verflochten, daß man sie fast wie ein Puzzlespiel zusammensuchen mußte. Nur ganz allmählich deckte Sandy, so hieß die Hauptfigur, auf, wer sie war, und wem sie ihre ganz besondere Veranlagung zu verdanken hatte. Der Roman begann mit einem Autounfall, in dessen Folge Sandy erfuhr, daß die Frau, die sie für ihre Mutter hielt, noch nie ein Kind geboren hatte. Die fünfzig Seiten, die Laura anfangs gelesen hatte, waren jetzt in der Mitte eingeordnet. Auf ihnen war die Flucht einer jungen Laborassistentin mit Namen Cheryl durch ein unterirdisches Labyrinth beschrieben. Und mit auf diese Flucht genommen hatte Cheryl einen wabbelnden Fleischklumpen, der seine Form beständig veränderte und vorerst nur andeutungsweise menschliche Züge trug, die dreijährige Sandy. Dann lag das Manuskript in einem Schubfach. Der Roman hatte so wenig mit meinen bisherigen Arbeiten zu tun, daß ich nicht wußte, wem ich ihn hätte anbieten können. Fast schon vier Jahre ist das her. Es kommt mir gar nicht so lange vor. Aber Danny ist der beste Beweis für die inzwischen vergangene Zeit. Im kommenden März wird er bereits fünf. Ich bin maßlos stolz auf ihn. Ein Prachtkerl, wie Vater gleich nach der Geburt sagte. Ein robuster, selbständiger kleiner Bursche, dem es in keiner Weise geschadet hat, daß er seine frischen Windeln von mir bekam. Der Laura und mich mit mißbilligenden Blicken bedenkt, wenn einer von uns das Fleisch auf seinem Teller schneiden will. Das kann er alleine, und das weiß er auch. Jeden Morgen stampft er kurz vor neun hinter Laura her zum Wagen. Und er weigert sich strikt, mir einen Abschiedskuß zu geben.
»Für die drei Stunden«, sagt er herablassend. Er ist doch jetzt unser »Großer«
. Vor zwei Monaten, genau am. Oktober, hat Danny eine kleine Schwester bekommen. Seitdem fühlt er sich fast erwachsen, und mehr noch fühlt er sich als Beschützer. Gut zwanzigmal am Tag steht er neben der Wiege und überzeugt sich, daß alles in Ordnung ist mit seiner
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