Das Geheimnis der Puppe
wenn ich ihm diesen Klotz zeigte, der Filmproduzent würde vermutlich ebenso denken. Laura deutete mit dem Kopf hinüber.
»Schauen wir es uns an.«
Frau Dressler ging vor uns her auf die zweiflügelige Haustür zu. Massives Holz, ein Messingknauf als Türgriff. Auf dem grauen Verputz daneben ein Klingelknopf, eine Messingplatte, darauf ein Name. STEINER, stand auf der Platte. Darunter die ebenfalls grauen Schlitze einer Gegensprechanlage. Sie ernüchterten mich.
»Das muß natürlich we.«, sagte ich ganz automatisch. Einen Türklopfer hatte ich erwartet. Ich brauchte etwas in dieser Art, quasi ein wichtiges Requisit. Laura betrachtete den Namen auf der Platte mit leicht zusammengekniffenen Augen.
»Steiner«, murmelte sie.
»Der Name kommt mir bekannt vor. Aber ich weiß jetzt nicht, wo ich ihn schon gehört habe.«
Die Haustür wurde aufgeschlossen, dahinter lag die Halle. Und die düstere Intuition löste sich augenblicklich auf. Durch große Fenster rechts und links der Tür flutete das Tageslicht herein. Die weiß gestrichenen Wände und der weiß geflieste Boden verstärkten die Helligkeit noch. Hier war kein Winkel für Geheimnisse. Hier lag alles offen und übersichtlich. Rechter Hand eine breite, sanft geschwungene Treppe zum Obergeschoß, gleich darunter führte sie abwärts, in den Keller. An einer Wand standen drei Holzkisten. Frau Dressler deutete darauf und erklärte:»Die werden noch abgeholt. Ein paar persönliche Dinge von der Ehefrau des Besitzers. Was darüber hinaus noch an Inventar im Haus ist, soll bleiben. Der Käufer kann nach Belieben darüber verfügen.«
Gleich vor der Treppe führte eine Tür in das erste Zimmer. Der Raumplan, den Frau Dressler zu Rate zog, wies es als Bibliothek aus. An drei Wänden waren raumhohe Regale angebracht. Sie waren restlos leer, und die Regalböden waren mit einer Staubschicht bedeckt. Die vierte Wand wurde von zwei großen Fenstern beherrscht, die hinaus auf die Straße zeigten. Der Fußboden schien makellos, helles, lasiertes Holz. Ich ging einmal quer durch den Raum, federte dabei sogar leicht in den Knien. Doch außer meinen Schritten entstand kein Geräusch. Frau Dressler grinste zufrieden.
»Hier knirscht nichts.«
Das war erfreulich, solange ich es von der Seite des Kaufinteressenten betrachtete. Aber das Knirschen von Schritten auf Holzfußböden konnte man gewiß auch auf andere Weise erzeugen. Im Erdgeschoß gab es noch drei weitere Räume. Das Arbeitszimmer des früheren Eigentümers, unverkennbar mit seinen, wenn auch ausgeräumten, Aktenschränken und dem Schreibtisch. Auch hier gingen die Fenster zur Straßenseite, und bei einem davon stand ein zierlicher Sekretär mit Aufsatz, in dem etliche winzige Schubfächer untergebracht waren. Es war sicher ein kostbares Stück, aber es wirkte auf mich befremdend, weil es gar nicht zu der übrigen Einrichtung des Raumes paßte. Auch in diesem Zimmer sah man den Möbelstücken an, daß seit langer Zeit niemand mehr hier lebte. Dann führte Frau Dressler uns in den Wohnraum. Und gleich als ich eintrat, hatte ich das Gefühl, mitten in meinem Film zu stehen. Der Raum war sehr groß, dank der breiten Fenster und der Terrassentür sehr hell und komplett eingerichtet. Doch im Gegensatz zum Arbeitszimmer waren hier die Möbelstücke mit weißen Tüchern verhängt. Es gab ein paar helle Flecke auf den Tapeten, wie Bilder sie hinterlassen. Ein Flügel hatte seine Standbeine tief in den weichen Bodenbelag gedrückt. Frau Dressler wies auf die betreffenden Stellen und erklärte bedeutsam:»Steiners Frau hat gespielt. Anfang der fünfziger Jahre hatte sie einen guten Namen.«
Ich begriff zuerst nicht ganz, wovon sie sprach. Die Abdrücke im Teppich sagten mir nichts, und »spiele.« brachte ich mit einem Roulettetisch in Verbindung. Erst als Frau Dressler weitersprach, ging mir der Sinn ihrer Worte auf.
»Sie hat Konzerte gegeben, ist auf Tournee gegangen, hat sogar selbst komponiert. Aber dann hörte sie ganz plötzlich auf. Das weiß ich noch, als wäre es gestern gewesen. Im November hat sie ihr letztes Konzert gegeben. Es wurde im Radio übertragen. Und anschließend sagte sie dann, daß sie sich zurückzieht.«
Mit einem vernehmlichen Seufzer schüttelte Frau Dressler den Kopf. Sprach weiter mit einer Stimme, die einem Totengräber zur Ehre gereicht hätte:»Keiner hat es verstanden, so viel Talent, einige sprachen von göttlicher Begabung, und sie hörte auf. Und damit nicht genug, man sah sie kaum
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