Das Geheimnis der Puppe
schätzt du das Kind.«
»Drei Jahre«, antwortete ich für Laura. Besser, ich bekam nachher den Ärger mit Bert.
»Und mit dem Kind stimmt wirklich etwas nicht. Es spricht nicht, hüpft und springt so merkwürdig wie ein kleiner Ziegenbock.«
Laura verzog das Gesicht zu einem Grinsen, verkniff es sich jedoch, ging endlich zur Tür, um ein frisches Glas zu holen. Und ich erzählte kurz von den nächtlichen Besuchen in den ersten Tagen, von meinem Verdacht gegenüber Brigitte Greewald und von deren heftiger Reaktion beim Anblick des Kindes.
»Das ist ja entsetzlich«, sagte Marianne tonlos. Bert legte eine Hand auf ihren Arm, schaute mich an und erklärte in bestimmtem Ton:»Ich werde mich gleich Montag darum kümmern.«
Es klang ganz danach, daß das Thema damit erledigt war. Und ich fühlte mich erleichtert. Wenn die Greewalds oder sonst wer tatsächlich ein Kind so sträflich vernachlässigten, war Bert für jede Art von Nachforschung wohl kompetenter als ich oder ein Dorfpfarrer. Sie blieben nicht mehr lange. Lauras Hinweis auf die Uhrzeit war für Bert Grund genug, zum Aufbruch zu drängen. Wir begleiteten sie zum Wagen, standen anschließend am Straßenrand und winkten ihnen nach. Ich hatte einen Arm um Lauras Schultern gelegt und sie den ihren um meine Hüften. Es war ein so wundervoller Augenblick, so als hätte ich mir die letzten Wochen nur eingebildet. Ich war in diesen Minuten überzeugt, daß wir unsere Krise überwunden hatten. Als wir zurück ins Haus gingen, sagte ich:»Na also, jetzt ist der Bann gebrochen.«
Und das war er. Am Montagabend klingelte kurz nach sechs das Telefon. Es war in der Halle installiert. So hörte man das Klingeln meist im ganzen Haus. Laura war nicht da. Sie hatte am frühen Nachmittag einen Termin bei ihrem Gynäkologen gehabt und wollte anschließend noch Einkäufe machen. Ich saß am Schreibtisch, und Danny hockte vor dem Fernseher im Wohnzimmer. Gleich beim ersten Klingeln zog sich mein Magen zusammen. Ich wußte, daß etwas passiert war. Im ersten Augenblick dachte ich nur an Laura, und daß sie in ihrem Zustand wirklich nicht mehr alleine die weite Strecke fahren sollte. Ich rannte die Treppe hinunter, nahm gleich zwei Stufen auf einmal. Danny war noch schneller. Auf halber Höhe der Treppe sah ich ihn vor dem Telefon stehen. Mit ratlosem Gesicht streckte er mir den Hörer entgegen und rief gleichzeitig:»Papa, komm mal schnell.«
Es war Bert, in irgendwie ruhigem Ton erkundigte er sich zuerst:»Ist Laura in der Nähe.«
»Nein, sie ist ..«, setzte ich an. Da unterbrach er mich bereits. Jetzt klang seine Stimme sogar zufrieden.
»Das ist gut. Du mußt es ihr schonend beibringen. Marianne ist tot. Ich .«
Und jetzt versagte ihm die Stimme doch. Er brauchte ein paar Sekunden, um seine Fassung zurückzugewinnen. Dann schilderte er mir, was geschehen war. Allem Anschein nach hatte Marianne sich bereits am frühen Nachmittag auf dem Dachboden erhängt. Dort hatte Bert sie gefunden, als er kurz nach fünf aus dem Amt kam und das ganze Haus nach ihr absuchte. Im Augenblick war er allein daheim. Die Polizei hatte sein Haus bereits wieder verlassen.
»Hat sie irgend etwas hinterlassen.«
fragte ich. Zwei oder drei Sekunden vergingen, ehe Bert antwortete:»Eine mir unverständliche Nachricht. Ich fand den Zettel auf dem Wohnzimmertisch. ›Ich hätte nicht schweigen dürfen‹, hat sie geschrieben.«
Laura kam erst nach acht heim. Bis dahin hatte ich nicht einmal denken können. Ich hatte das Abendessen gemacht, Danny gebadet und ins Bett geschickt. Ihm zu erklären, was Bert mir gesagt hatte, war noch einfach gewesen. Bei Laura wurde es fast unmöglich. Sie kam etwas schwerfällig, aber strahlend in die Küche.
»Da sind noch ein paar Sachen im Wagen, Tom. Bist du so nett und holst sie.«
Ein paar Sachen. Im Kofferraum lag ein Stapel Regalbretter mit den dazugehörigen Wandhalterungen für mein Arbeitszimmer. Auf der Rückbank ein großes Paket mit Vorhangstoff. Außerdem hatte Laura Möbelprospekte mitgebracht.
»Du wirst ja auch in den nächsten Wochen keine Zeit haben, Möbel auszusuchen. Wir setzen uns gleich gemütlich ins Wohnzimmer und schauen uns die Prospekte an. Da können wir uns vielleicht schon auf einen Stil einigen. Zu modern sollte es nicht sein. Das paßt nicht zum Haus.«
Sie war so gelöst und ausgeglichen. Und ich schaffte es immerhin eine halbe Stunde lang, mich gelassen zu geben. In der Zeit aßen wir. Laura erzählte, was der Arzt gesagt
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