Das Geheimnis der Puppe
sich rasch, als er uns beide auf dem schmalen Bett liegen sah. Ich machte ihm Frühstück, Laura blieb noch liegen. Kurz nach acht fuhr ich ihn zum Kindergarten. Dort war er jetzt noch am besten aufgehoben. Und er schien mir sehr erleichtert, als er noch bei der Eingangstür mit zwei anderen Kindern zusammentraf und mit Hallo begrüßt wurde. Ein Junge in seinem Alter legte ihm den Arm um die Schultern. Und Danny winkte mir mit strahlendem Gesicht noch einmal zu. Er hatte also bereits einen Freund gefunden. Als ich zurückkam, saß Laura vor einem Kaffee am Küchentisch. Sie hatte auch für mich ein Gedeck hingestellt, schaute mit ausdrucksloser Miene zu, wie ich meine Tasse füllte und auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz nahm.
»Es hatte nichts mit mir zu tun«, erklärte sie.
»Da bin ich ganz sicher. Es ist Steiners Schuld. Er hat ihre Jugend und Unerfahrenheit ausgenutzt. Schau dir doch an, wie er auf den Fotos aussieht. Der hat jede herumgekriegt, darauf möchte ich wetten. Und sie war hilflos. Sie war doch fast noch ein Kind, als sie in dieses Haus kam. Er hat sie kaputtgemacht.«
Den ganzen Dienstag blieb Laura am Küchentisch sitzen. Sie stand nur vom Stuhl auf, wenn sie zur Toilette mußte. Und dann benutzte sie den kleinen Waschraum der Dienstbotenkammer. Um zwölf holte ich Danny zurück, gleich darauf rief ich meinen Vater an. Er versprach, sofort nach Schließen der Praxis zu kommen. Aber mein Anruf muß ihn ziemlich schockiert haben. Er kam bereits kurz nach vier, alleine und sichtlich in Sorge. Danny begrüßte ihn vor der Küchentür mit den Worten:»Meine andere Oma ist gestorben. Frau Nehring hat gesagt, sie ist jetzt im Himmel.«
Frau Nehring ist die Kindergärtnerin. Ihre Meinung hat bei Danny einen hohen Wert. Laura schaute nur flüchtig auf, als Vater die Küche betrat. Und als er nach ihrem Arm griff, den Puls tastete, anschließend die Manschette des Blutdruckmeßgerätes darüberschob, lächelte sie einmal vage.
»Ich bin nicht krank«, sagte sie.
»Es geht mir gut.«
Vater nickte mit ernster Miene.
»Ja, das sehe ich, Laura.«
Er legte einen Finger unter ihr Kinn, hob so ihr Gesicht an und zwang sie, ihn anzusehen.
»Deine Mutter war seit langen Jahren in einer bösen Verfassung. Sie hätte dringend einen Arzt gebraucht. Und ich verstehe deinen Vater nicht. An seiner Stelle hätte ich sie an den Haaren zu einem guten Psychiater geschleift. Da wäre euch allen sehr viel erspart geblieben.«
Vater schüttelte den Kopf, träufelte etwas aus einem Fläschchen auf einen kleinen Löffel, hielt ihr den hin und erklärte gleichzeitig in meine Richtung:»Keine Sorge, das schadet ihr nicht. Nur ein leichtes Beruhigungsmittel.«
Dann schob er ihr den Löffel in den Mund, da sie keine Anstalten machte, danach zu greifen. Laura schluckte, leckte sich kurz über die Lippen.
»Vati konnte gar nichts tun«, sagte sie.
»Ich habe einmal erlebt, wie er ihr den Vorschlag machte, zu einem Psychiater zu gehen. Damals war ich acht. Sie hatte mich eingesperrt, gleich als ich aus der Schule kam. Ich habe in meinem Zimmer gesungen, da kam sie herein. Sie wollte mir etwas auf den Mund kleben, damit ich still bin. Sie war ganz aufgeregt und sagte: ›Er darf dich nicht hören.‹ Aber ich wollte mir den Mund nicht zukleben lassen. Ich habe sie in die Hand gebissen. Sie hat geweint. Und dann hat sie mir doch den Mund zugeklebt und hat mich am Bett festgebunden. Und dann kam Vati heim. Er hat mich losgemacht und versprochen, daß es nie wieder vorkommt. Dann hat er versucht, mit ihr zu reden. Aber in solchen Momenten war er ihr schlimmster Feind.«
Den ganzen Nachmittag blieb Vater mit ihr in der Küche sitzen. Geduldig und aufmerksam hörte er sich an, was Laura aufzählte. All die vielen kleinen Episoden, die bitteren Erinnerungen aus zwanzig Jahren Kindheit und Jugend. Und das Resümee aus dieser Zeit:»Aber sie war doch meine Mutter.«
Kurz nach acht half er mir dann, Laura auf das Bett in der Dienstbotenkammer zu legen. Wir mußten sie förmlich vom Stuhl hochziehen und hinüberschleifen. Sie hob nicht einmal die Füße vom Boden.
»Laß sie hier unten schlafen«, meinte er.
»Vielleicht hilft ihr das. Du kannst ja ab und zu mal nach ihr sehen.«
»Ich bleibe hier«, sagte ich. Und Vater nickte. Bevor er ging, legte er mir eine Visitenkarte auf den Küchentisch. Ein kurzer Blick zeigte, es war die Karte eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie.
»Wenn sie morgen noch in dieser Verfassung
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