Das Geheimnis der Puppe
an.
»Steiners Tagebuch«, sagte ich. Und zählte ihm der Reihe nach Lauras Vermutungen auf. Ungewollte Schwangerschaft, Schweigen, ein ungewolltes Kind, um das Marianne sich kümmern mußte, weil seine Mutter es ablehnte. Ich erwähnte sogar kurz den Verdacht, der mich gequält hatte. Bert lachte einmal kurz auf.
»Du hast wirklich viel Phantasie, Tom. Aber du hast die Fotos gesehen, genügt dir das als Beweis.«
Er wurde gleich wieder ernst.
»Hier war kein Kind, Tom. Das weiß ich ganz sicher. Wenn Elisabeth Steiner wirklich ein drittes Kind bekommen hat, dann ist es vielleicht gestorben, bevor ich zum erstenmal herkam. Aber das läßt sich feststellen. Es muß ja irgendwo registriert sein. Was sagt denn Frau Greewald dazu? Sie müßte doch davon wissen.«
Als Laura wenig später zurückkam, legten wir das Thema zur Seite. Wir setzten uns auf die Terrasse. Wie ich zuvor, blätterte nun Laura in den Alben. Bert beobachtete mit sichtlich angespannter Miene ihren Gesichtsausdruck. Und der war nichtssagend, desinteressiert. Nachdem sie eine Weile die unzähligen Fotos betrachtet hatte, erkundigte sich Laura mit gelangweiltem Unterton:»Was soll das, Vati? Warum schleppst du mir diesen Kram hier an? Ich kenne die Bilder. Ich kenne jedes einzelne davon.«
»Ich dachte«, begann Bert und warf mir einen hilflosen Blick zu,
»es würde dir helfen. Du kannst dir ein paar von den Fotos aussuchen, wenn du möchtest.«
»Vielen Dank«, gab Laura sarkastisch zurück, »aber ich möchte nicht. Das ist eine Zeit, die ich liebend gern aus meinem Gedächtnis streichen würde.«
Bert seufzte vernehmlich, seine Stimme klang leicht gereizt.
»Einige davon zeigen immerhin, daß sie zumindest versucht hat, dir eine gute Mutter zu sein. Sie war eine liebevolle und sehr besorgte Mutter. Vielleicht ein wenig zu besorgt.«
Laura lachte auf, es klang gehässig, fast schon bösartig. Sie lehnte sich im Sessel zurück und betrachtete ihn spöttisch.
»Tut mir leid, Vati. Ich weiß, daß du immer nur ihre Seite gesehen hast. Doch mit ihren Versuchen ist sie kläglich gescheitert.«
Wieder klang so ein kleines, böses Lachen auf.
»Aber es war nicht ihre Schuld, das weiß ich inzwischen. Dein hochverehrter Doktor Steiner ist die Wurzel des Übels. Mutti hat nur so allergisch auf dieses Haus reagiert, weil er ihr darin das Leben zur Hölle gemacht hat. Ich hatte in den letzten Tagen ein paar sehr aufschlußreiche Gespräche mit unserer Nachbarin. Mutti war in diesem Haus nicht mehr und nicht weniger als ein Fußabtreter. Putzen, wischen, waschen, die lieben Kinderlein hüten und dem Hausherrn zu Diensten sein, wenn die werte Frau Gemahlin ihrer Passion nachging.«
»Was redest du dir denn da ein.«
fuhr Bert auf. Laura winkte lässig ab.
»Reg dich nicht auf, Vati. Er hatte was mit ihr, das steht fest. Er hat mehr als eine Nacht in der Dienstbotenkammer verbracht. Wenn die werte Gemahlin allzulange aus dem Haus war, hat er bei Mutti ein bißchen Trost gesucht. Und er hat bestimmt nicht nur ihr Händchen gehalten. Das lief natürlich alles ganz diskret. Es wurde nicht darüber gesprochen, und wenn die Dame des Hauses von ihren Reise zurückkam, ging alles weiter wie gehabt. Frau Greewald sagte: ›Annchen hat sehr darunter gelitten. Sie wollte doch nichts Böses tun. Sie verehrte die Frau Steiner. Aber gegen ihn konnte sie sich nicht wehren. Sie war halt zu jung. Sie hat ihm geglaubt, wenn er ihr erzählt hat, daß er sie doch auch sehr gerne mag, und daß es nicht ans Tageslicht kommt.‹ Du kannst mir einen Gefallen tun, Vati. Erzähl mir von den letzten Jahren des Herrn Steiner.«
»Da gibt es nichts zu erzählen«, sagte Bert ruhig. Aber Laura war ganz krank vor Haß.
»Nun komm schon, Vat.«, drängte sie ihn erneut.
»Du hast ihn besucht. Du wirst dich doch daran erinnern, wie es ihm ging. Und mehr will ich gar nicht wissen.«
»Schlecht«, erwiderte Bert einfach. Er bemerkte das Funkeln in Lauras Augen ebenso wie ich. Und nach einer Weile fügte er hinzu:»Steiner war immer ein sehr aktiver Mann gewesen. Er war sportlich. Und er war sehr stolz. Wie, glaubst du, ist solch einem Mann zumute, wenn er dann plötzlich an ein Bett gefesselt ist? Wenn er darauf angewiesen ist, daß andere ihn waschen, ihn auf die Toilette setzen.«
»Hundeelend, hoffe ich«, sagte Laura.
»Hatte er Schmerzen.«
Bert stieß die Luft aus.
»Jetzt reicht es.«
»O nein.«
Lauras Stimme klirrte wie Eiswürfel in einem Glas,
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