Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
Aufschreiend zog er seine blutende Hand zurück. Sie nutzte den Moment der Überraschung und trieb ihr Kamel an. Fluchend nahmen die beiden anderen Räuber die Verfolgung auf. Im Gegensatz zu ihr waren sie geübte Reiter, auf dem Rücken der Kamele quasi aufgewachsen. Es konnte nicht lange dauern, bis sie Maria einholen würden. Stärker einem Instinkt als dem Verstande folgend, bog sie von der Straße ab und folgte einem Pfad in die Berge, der sich einen schmalen Abhang hinaufwand. Sie konnte den Atem der Verfolger bereits im Nacken spüren. Der Vorteil des Pfads bestand aber darin, dass er zu schmal war, um sie zu überholen. Ihre Verfolger konnten vorerst nur an ihr dranbleiben.
Nach einer Weile erreichte sie ein Plateau, auf dem die Sonne ruhte. Die Landschaft ertrank in Licht, das die Farbe von Akazienhonig hatte. Kein Weg führte von diesem Plateau wieder hinunter, sie saß in der Falle. Breit grinsend langten nun auch die Räuber auf dem Plateau an. Sie hatten sich zum Schluss nicht mehr beeilt, weil sie wussten, dass es von hier oben kein Entrinnen für Maria gab. Nun zogen sie ihre Halbmondschwerter.
Maria stieg von ihrem Kamel ab. In dieser Landschaft war der Mensch verloren, wenn er sich von seinem Reittier trennte, aber nur so konnte sie ihr Leben retten. Sie ließ sich auf die Knie nieder und robbte langsam über die Felskante, wo sie einen kleinen Absatz fand. Schweiß lief ihr über die Stirn. Sie hielt sich an einer Art Grasbüschel fest und suchte mit dem Fuß Halt am steilen Abhang. Stück für Stück gelang es ihr, ihn hinunterzuklettern. Von oben stierten ihr die beiden Araber ungläubig hinterher. Sie riefen einander etwas zu. Dann hörte sie, dass einer der beiden fortritt. Wahrscheinlich wollte er sie für den Fall, dass sie es wirklich bis nach unten schaffte, dort erwarten. Sie hing buchstäblich zwischen Himmel und Erde und musste sich entscheiden: Sollte sie weiter nach unten klettern oder den Kampf mit dem Posten oben wagen?
Dann kam ihr eine Idee. Vorsichtig und mühsam kletterte sie weiter abwärts, bis sie eine kleine Mulde fand, in der sie sich niederließ. Sie atmete schwer, und ihr Puls raste. Hier wollte sie den Einbruch der Nacht erwarten. Zwar war es gefährlich, im Finstern zu klettern, aber die Dunkelheit, die sie bedrohte, würde sie zugleich auch schützen. Vielleicht würden ihre Verfolger ja ebenfalls aufgeben.
Die Zeit lastete wie Blei auf ihr. Obwohl es bereits Abend war, dauerte es eine Ewigkeit, bis die Sonne unterging. Nun beleuchteten zwar Sterne die Landschaft, der Mond kam ihnen aber kaum zu Hilfe, denn er war zu einer winzig schmalen Sichel geschrumpft. Sie rang sich durch, weiter nach unten zu klettern. Endlos kam ihr der Weg vor, den sie sich hinabtastete, mit den Füßen nach Absätzen und Einkerbungen im Boden oder nach Grasbüscheln und Wurzeln suchend, während sich ihre Finger an Tamarisken oder schmerzend und blutend an Dornensträucher klammerten oder sich in den Boden wühlten. Schemenhaft erkannte sie, dass sich unter ihr ein kleiner Pfad befand. Schon wollte sie weiter abwärts steigen, besann sich dann aber rechtzeitig und kletterte seitwärts weiter, als wollte sie den Berg umrunden. Wenn sie ihr immer noch auflauerten, konnte sie ihr lautes Keuchen verraten. Maria verlangsamte ihre Bewegungen, um sich etwas auszuruhen und leiser atmen zu können.
Nach einer Weile setzte sie ihren Abstieg fort, und wenig später berührten ihre Füße den Pfad. Geduckt schlich sie den abschüssigen Pfad nach links entlang, wo der nächste Abhang bis zum nächsten Pfad abfiel. Sie vermutete, dass die Räuber nach einiger Zeit abgezogen waren, weil sie sich von ihr nicht allzu viel erhofften. Marias Kamel hatten sie mit Sicherheit mitgenommen, denn ein Reittier war wertvoll. Vielleicht dachten sie auch, dass sie nicht weit kommen und allein in der Wildnis umkommen würde. Und danach sah es auch aus.
So irrte sie durch die Finsternis, allein und verzweifelt. Sie war müde, beherrschte sich jedoch. Es war zu gefährlich einzuschlafen. Zuallererst musste sie etwas zu trinken finden. Und sie fror. So heiß es am Tag war, so kalt wurde es in der Nacht.
Als die Sonne aufging, befand sie sich in einer Talsenke, zitternd vor Müdigkeit und Kälte. Etwas später entdeckte sie einen Bach, aus dem sie gierig trank. Maria fühlte sich einsam, verlassen und ratlos. Sollte sie Hafis suchen? Aber wo sollte sie mit der Suche beginnen? Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wo sie
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