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Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Titel: Das Geheimnis der Rosenkreuzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Klausen
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dessen Flügel so durchsichtig waren, dass man ihn kaum sah.
    Sie setzte sich, begann ihren Atem zu regulieren und schloss die Augen. Dann richtete sie den Blick nach innen und dachte an Maria, an das Suchen und Irren der Jüdin. Sie spürte die trockene Hitze und das grelle Licht, wie Licht von Licht. Gleißend hell wurde es in ihr, schmerzhaft hell …

Kapitel 24
    D ie Sonne brannte unbarmherzig auf Maria herab. Die Hitze war trostlos. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es Mittag sein musste, denn es konnte nur noch kühler werden, weil die Luft und der steinige Boden bereits glühten. Sie irrte über eine verwilderte Bergterrasse. Irgendwann hatten Menschen sie angelegt und Pflanzen darauf angebaut. Doch dann war etwas geschehen, vielleicht eine Gewalttat, wie sie es als Kind in Straßburg erlebt hatte, die Bauern waren getötet oder vertrieben worden, die Nutzpflanzen eingegangen und allmählich, aber unaufhaltsam von dem Dornengestrüpp, durch das Maria streifte, verdrängt.
    Sie wurde immer unachtsamer, und häufiger ritzten Dornen ihre Haut auf. An ihrem Oberarm klebte getrocknetes Blut. Allmählich stumpfte sie ab und ließ sich treiben wie ein Blatt im Wind, das irgendwann irgendwo liegen bleiben und vergehen würde. Obwohl sie durch fremdes, gefährliches Land irrte, weder ihren Standort noch Weg noch Ziel kannte, beherrschte sie nur der eine Gedanke, dass sie sterben würde, wenn sie stehen blieb. Etwas trieb sie vorwärts, aber sie hatte keine Vorstellung davon, was dieses Etwas war. Ein dunkler, schwerer Schatten fiel vom Himmel, und alsbald noch ein zweiter und dritter. Maria richtete den Blick zum Himmel, schrie auf vor Schmerz, den die Sonne in ihren Pupillen erzeugte, hielt schützend die Hand über ihre Brauen und entdeckte schließlich drei Geier, die über ihr kreisten.
    Die Aasfresser schienen sich ihrer Beute sicher zu sein und hatten Zeit. Wenn ihre letzte Lebenskraft versiegt war, würden sie sich ihr nähern und ihre krummen, harten Schnäbel in ihr noch warmes Fleisch schlagen. Einer der Vögel ließ sich auf einem Felsvorsprung nieder, der jetzt vor ihr auftauchte. Seine Gestalt mit den großen Flügeln, die aussahen wie hochgezogene Schultern, und dem kleinen, eingezogenen Kopf erinnerte sie an den Sekretär des Bischofs. Strauchelnd griff sie nach einem Stein, an denen auf diesen Terrassen kein Mangel bestand, umfasste ihn mit überraschender Lust und schleuderte ihn in Richtung des Geiers. Erbost flog das Tier auf, ließ sich aber sogleich wieder nieder. Maria griff nach dem nächsten Stein und warf erneut nach dem Vogel, der wieder aufflatterte, sich diesmal aber in der Luft hielt. Maria spürte, wie sich ein schiefes, aber zufriedenes Lächeln über ihre Mundwinkel legte. Obwohl die Aktion ihr Kraft raubte, erfüllte sie sie mit Zuversicht, denn noch war ihr Körper kein Fressen für die Geier. Sie hatte sich nicht bis hierher durchgeschlagen, nicht den Kapitän erstochen und war den Räubern entkommen, um hier von Vögeln gefressen zu werden. Dann kam ihr ein Psalm in den Sinn, den sie immer geliebt hatte. Und sie sang auf Hebräisch:
    Ich freute mich über die, die mir sagten:
    Lasset uns ziehen zum Hause des HERRN!
    Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jeruschalajim.
    Jeruschalajim ist gebaut als eine Stadt,
    in der man zusammenkommen soll,
    wohin die Stämme hinaufziehen,
    die Stämme des HERRN …
    Und dann lag sie plötzlich vor ihr, in der Talsenke zwischen den Bergen, ein einziger Körper aus Silber und Gold. Wachte oder träumte sie? Sah sie das wirklich, oder begann sie zu halluzinieren? In der Mitte glänzte ein Aquamarin wie ein Auge. Bei näherem Hinsehen erkannte sie, dass dieses Gebilde aus Silber und Gold aus Häusern, Tempeln und Säulen bestand, die aus gelben und weißen Steinen errichtet worden waren und die in der Sonne flimmerten. Der Aquamarin in der Mitte aber erwies sich als ein Teich, sein Zufluss war von Palmen gesäumt. Der Abstieg zur Stadt hinunter würde dauern. Und je näher sie ihr kam, ohne dass ihr Anblick sich ver änderte oder gar schwand, desto weniger glaubte sie schließlich, einer Geistestäuschung erlegen zu sein.
    Wohltuender Abendwind kühlte ihr glühendes Ge sicht, als sie die Talsenke endlich erreicht hatte. Sie staun te. So etwas hatte sie auf all ihren Reisen noch nicht gesehen: Die Stadt besaß keine Schutzmauer, keine Tore, so als benötigte sie all das nicht und stünde unter der Obhut höherer Mächte. Maria näherte sich ihr

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