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Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Titel: Das Geheimnis der Rosenkreuzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Klausen
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aufgespürt, um sich endlich für die erlittene Demütigung zu rächen. Was sie verwirrte, war allerdings, dass er an seinem Turban das gleiche Emblem wie der Shaykh trug. Das war ihr auf dem Weg nach Theben nicht aufgefallen.
    »Gib mir das Schwert«, rief ihr Hafis zu, der nicht einmal einen Dolch trug. »Hast du etwa Kämpfen gelernt?«, fuhr sie ihn an. Ihre Nerven waren bis zum Äußersten gespannt, und sie suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Hafis verstummte, wollte sich das Schwert aber mit Gewalt nehmen, um sie zu beschützen. Maria machte einen Ausfallschritt, zog Azrael und richtete kurz die Klinge gegen den Mann, den sie liebte. »Zurück! Ich bin der Träger des Schwertes.«
    In diesem Augenblick griff sie der schwarze Mann an. Kräftige Schwerthiebe prasselten auf Maria nieder, die sie mehr schlecht als recht parierte. Ihr schien, dass ihr Gegner mit ihr spielte, weder seine ganze Kraft noch seine gesamte Schnelligkeit einsetzte und wie die Katze mit der Maus einen tödlichen Scherz trieb. Aufgeben kam für sie nicht infrage. Solange sie sich wehrte, so lange lebte sie noch. Doch dann stolperte sie und fiel auf den Rücken. Ungerührt setzte der Angreifer die Spitze seines Schwertes in die kleine Vertiefung ihres Halsansatzes. Die Spitze des Beidhänders bohrte sich allein durch das Gewicht der Waffe in ihr Fleisch. Es brannte, mehr noch aber versengte sie ihr Zorn auf sich selbst, so achtlos in eine Falle getappt zu sein, so sinnlos und ohne ihre Aufgabe erfüllt zu haben, das Leben zu verlieren. Vielleicht strafte Gott sie ja für die Zügellosigkeit und für die Fleischeslust, der sie sich hingegeben hatte. Vielleicht hatten ja diejenigen, die Enthaltsamkeit predigten, doch Recht, und sie hatte sich in einem frivolen Irrtum befunden. Mondo cane, hatte eine gelehrte Begine einmal gesagt: die Welt von der Hundeseite.
    Er tat so weh, der Stahl, der sich in ihren Hals bohrte, mehr aber noch der Stahl aus Vergeltung, der ihr Herz verwundete. Sie sah in die leeren Augen ihres Gegners. Da wusste sie, dass er sie töten würde. Und in dieser Sekunde spürte sie es, zum ersten Mal wieder seit dem Tag, an dem ihr Vater und ihre Mutter ermordet worden waren, das Leben, fühlte, wie verzweifelt sie daran hing, am nächsten und übernächsten Atemzug, dass sie nicht bereit war, dieses kleine, schmutzige Erdenleben wegzuwerfen, einzutauschen gegen einen Platz im Himmel – und diese Einsicht erschütterte sie zutiefst. Immer hatte sie geglaubt, dass ihr das Leben gleichgültig wäre, dass sie es sogar hasste, und nun musste sie sich eingestehen, dass sie es heiß und innig liebte, obwohl es für sie doch nur Schmerz, Abschied und Verstellungen bereitzuhalten schien und sie für das geringste Glück bitter bezahlen musste. Das Leben behandelte sie schlecht, und dennoch klammerte sie sich jetzt daran. War es, weil sie die Liebe kennengelernt hatte? Kettete die Lust die Seelen an die Leiber? Was richteten die Liebkosungen und Umarmungen, die zärtlich hingehauchten Worte an? Raubten sie ihr das gute Gefühl der Hoffnungslosigkeit?
    Hafis wollte ihr zu Hilfe eilen, doch der Kaufmann trat ihm in den Weg und hielt ihn mit seinem neuen Saif in Schach.
    Hafis, mein Liebster, dachte sie, warum sind wir nicht auf dem Fluss geblieben? Unser ganzes Leben hätten wir dort zubringen können. Zu spät. Das Leben hatte sie mit der Liebe geködert. Gern hätte sie zu ihm geschaut, ihm einen letzten Blick zugeworfen, sich noch einmal selbst in seinen Augen gefunden, doch konnte sie ihren Kopf nicht bewegen, wenn sie sich nicht selbst die Schwertspitze tiefer in den Hals bohren wollte. Vielleicht war es aber auch gut, ihn nicht mehr anzusehen, sich am Schmerz in seinen Augen nicht zu verbrennen. Sie konnte ja selbst über die Entfernung hinweg seine Verzweiflung, ihr nicht beistehen zu können, körperlich spüren.
    »Nur ein Wiedergeborener wird die Weisen treffen!«, sagte der Kaufmann ruhig und ernst. Seine Worte, die in sich ruhende, fast bescheidene Stimme des Kaufmanns verwunderten Maria.
    »Wer bist du?«, hörte sie Hafis staunend fragen.
    »Weißt du das immer noch nicht?«
    »Ein Yesid?«
    Der Kaufmann lächelte nachsichtig. »Hafis, Hafis, ich habe dich für klüger gehalten! Nun, vielleicht bin ich auch ein Yesid, ein Pfauenanbeter. Aber weißt du denn nicht, dass malak wie malik klingt, Engel wie König, und das Wort für Pfau dem Wort für grünendes Land vom Klang her verwandt ist? Den Pfau anbeten heißt also nichts

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