Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Maurus um, der nun auch ihre Tränen sehen konnte.
»Ich kann nicht verstehen, dass Ihr Euch bei all dem, was geschehen ist, was Ihr und mein Sohn erlebt habt, noch immer an die Kirche gebunden fühlt. Was ist das für ein Zauber, der da auf Euch liegt? Seid Ihr etwa ein Heiliger?«
Maurus schluckte.
»Nein, ich bin gewiss kein Heiliger. Aber die Wege des Herrn sind manchmal unergründlich. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen, einen wichtigen Auftrag.«
»Ja, ich habe es vernommen, einen Auftrag Eures Bischofs, verzeiht, Eures Erzbischofs. Was um alles in der Welt ist daran so wichtig, dass Ihr die Zuneigung eines Kindes und auch –«
»Und auch was?«
»Ach, vergesst es doch und geht doch zum Teufel, Maurus Schouwenaars! Haltet mich und das Kind nicht länger zum Narren!«
Enjas Worte trafen Maurus wie Kugeln ins Herz. Wie gern hätte er ihr seine Gefühle offenbart. Wie gern wäre er für sie und den Jungen dagewesen. Doch da waren sein Auftrag und der Eid, den er Gott geschworen hatte. Und da war ein Freund, der sich auf ihn verließ. Liebknecht! Matthias! Nein, er musste erst seinen Auftrag erfüllen. Er musste Erzbischof Ferdinand von Wittelsbach über die unvorstellbaren Vorgänge unterrichten. Er würde Mittel und Wege wissen, dem Verfall der Kirche entgegenzuwirken.
Kurze Zeit später war Maurus zu Fuß auf dem Weg zur königlichen Residenz. Die Straßen Brüssels wimmelten von Menschen, Handelskarren und Kutschen, die sich geschäftig ihren Weg bahnten. Hin und wieder begegnete er auch patrouillierenden spanischen Soldaten oder auch Mönchen und anderen Geistlichen, die sich langsam in der Stadt sammelten, um das in zwei Wochen bevorstehende Peter- und Paul-Fest zu feiern, an dem traditionell Priester geweiht wurden.
Endlich hatte er das Schloss erreicht. Maurus zog die Legitimation des Churfürsten Ferdinand unter seinem Rock hervor und legte diese dem spanischen Soldaten an der Wache des Eingangs zum Schloss vor. Misstrauisch beäugte der Soldat den Jesuiten. Dann rief er laut nach hinten:
»Patrón, Herr!«
Maurus vernahm irgendeine Antwort auf Spanisch aus einem anderen Raum. Dann erschien ein Offizier.
» El homicida «, sagte der Wachsoldat und deutete auf Maurus, der kein Wort Spanisch verstand.
Der Offizier nahm Maurus’ Legitimation und schüttelte sie gründlich. Dann wandte er sich ihm zu.
»Ihr Name Maurus van Leuven ist?«, fragte er in einem gebrochenen flandrischen Dialekt.
»Ja, so ist es, ich bin Maurus van Leuven«, antwortete der Jesuit höflich. Der Offizier nickte nur. Dann rief er laut:
» Encerran esto Hombre en prisión! Sperrt diesen Mann ins Gefängnis!«
Sofort stürzten sich vier Mann auf Maurus, bogen ihm die Arme nach hinten und banden diese mit einem Strick fest. Völlig überrascht und verwirrt schaute sich Maurus um.
»Was hat das zu bedeuten? Ich verstehe das nicht. Ich bin hier, um mit Ihrer Königlichen Hoheit Prinzessin Isabella zu sprechen.«
Der Offizier lachte nur.
»Niemand Ihr sprechen könnt! Warten auf Kommandante!«
»Was heißt warten? Ich will ihn sofort sprechen!«
Der spanische Soldat mit seinem Brustharnisch und seinem Moron auf dem Kopf, ein sichelförmiger Helm, kam näher und grinste hämisch.
»Kommandante nicht da. Er Euch suchen!«
»Er sollte mich suchen, warum? Ich verstehe das alles gar nicht!«
»Weil Ihr El homicida seid.«
»El Moh Esida, was heißt das denn, verdammt noch mal? Lasst mich endlich los!«
»Ihr Mörder seid!«
»Ich ein Mörder? Ja in Gottes Namen, wen soll ich denn umgebracht haben?«
»Viele Padres in Villers.«
»Also, das gibt es doch gar nicht!«, protestierte Maurus van Leuven. Doch der Protest half ihm wenig. Die Soldaten schleppten ihn fort in ein anderes Gebäude und sperrten ihn dort in eine Gefängniszelle ein. Ungläubig blickte Maurus den Soldaten hinterher durch die kleine Öffnung an der Zellentür, als die Tür zugeschlagen worden war und sich die Männer lachend entfernten. Sie amüsierten sich darüber, wie allzu leicht der gesuchte Mörder ihnen ins Netz gegangen war, dass er sich freiwillig als Opferlamm zur Schlachtbank geführt hatte. Verzweifelt blickte sich der Jesuit um und haderte mit sich selbst, wie tollpatschig er in diese Falle getappt war. Wie sollte er jetzt Prinzessin Isabella informieren? Wie sollte er jetzt jemals nach Cölln kommen? Man bezichtigte ihn des Mordes. Und wie sollte er jemals seine Unschuld beweisen? Wer war sein Gegner, dass er ihm immer einen Schritt
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