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Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Titel: Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Esch
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Toten. Nach und nach schafften sie alle Leichen hinaus zum Friedhof, der am Waldrand lag. Bis zum späten Abend dauerte ihr trauriges Tun, bis alle toten Brüder beigesetzt waren. Während Maurus die Gräber zuschaufelte, fertigte Romary einfache Kreuze an.
    Erschöpft sprach Maurus für die Toten ein Gebet.
    »Möge Gott ihren armen Seelen gnädig sein und sie aufnehmen in sein himmlisches Reich, denn sie glaubten mit allem, was sie dachten, mit allem Glauben, der ihnen innewohnte, dass sie Gottes Werk erfüllen würden. Gott, vergib ihnen ihre Schuld, so wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Amen.«
    »Amen«, wiederholte Romary und blickte zu Maurus auf.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte er ängstlich.
    Maurus blickte zum Himmel, die ersten Sterne funkelten schon am Firmament, während im Westen die Sonne noch nicht ganz versunken war.
    »Wir werden wohl noch eine Nacht hier bleiben müssen, Romary. Ich glaube, es wäre zu gefährlich, diesen Ort jetzt zu verlassen.«
    Der Junge nickte. Danach suchten sie nochmals ihr Versteck im Brauhaus auf und verbrachten dort die Nacht.
    Am nächsten Morgen holte Maurus Wagen und Maultier aus dem Stall neben der Porterie. Das Eingangstor war immer noch mit einer Kette gesichert, die, so schloss Maurus, der Mörder angebracht hatte, um zu verhindern, dass die Brüder durch das Tor hätten fliehen können. Maurus band ein dickes Tau, das er in der Scheune fand, um die Kette am Tor und befestigte es am Brustriemen des Maultiers. Nach mehreren Versuchen samt Maultier und Maurus gab das Tor krachend nach und den Weg in die Welt außerhalb der Klostermauern frei. Maurus spannte das Maultier wieder vor den Wagen und forderte Romary auf, neben ihm Platz zu nehmen. Dann lenkte er das Maultier nach draußen.
    »Ich werde dich nach Hause bringen, Romary. Wo leben deine Eltern?«
    »Ich habe keine Eltern mehr«, antwortete der Junge tonlos. »Ich bin ein Waisenkind und in einem Findelhaus groß geworden.«
    »Oh mein Gott, das tut mir leid, Romary.«
    »Ist nicht so schlimm. Enja hat sich um mich gekümmert.«
    »Enja? Wer ist Enja?«
    Romary lächelte gequält. »Ich glaube, Ihr würdet sie verachten, Frater Maurus. Aber sie ist die einzige Person, der ich vertraue. Sie war immer für mich da, hat mich oft im Findelhaus besucht und später sogar bei sich aufgenommen. Sie lebt vor den Toren Brüssels.«
    »Aber das ist doch sehr edelmütig«, antwortete Maurus. »Warum sollte ich diese Frau verachten?«
    »Weil sie – weil sie…«, stotterte Romary und biss sich dabei auf die Unterlippe, »weil sie nicht so ist wie andere Frauen!«
    »So, was unterscheidet sie denn von anderen Frauen, Romary?«
    Es entstand eine Pause und der Novize musterte Maurus minutenlang. Der Jesuit ließ ihm Zeit und unterbrach das Schweigen nicht, wusste er doch zu gut aus eigener Erfahrung, wie schwer es war, über persönliche Dinge zu sprechen. Und offensichtlich war das Verhältnis zwischen Romary und jener Enja ein sehr persönliches.
    »Ich heiße eigentlich nicht Romary«, sagte dann der Knabe. »Mein richtiger Name ist Marinus Terhuizen. Wisst Ihr, Frater Maurus, Enja verdient ihren Lebensunterhalt damit, dass sie anderen Männern zu Diensten ist.«
    »Zu Diensten ist? Meinst du, sie ist eine Dienstmagd?«
    Marinus kicherte. Im gleichen Augenblick sah Maurus den Jungen ungläubig an, denn jetzt begriff er, was Marinus eigentlich sagen wollte. »Du meinst, Enja ist eine –.« Maurus sprach es nicht aus. Das Wort Hure wollte ihm nicht über die Lippen kommen.
    »Ja, Enja ist eine Hübschlerin«, antwortete Marinus wie selbstverständlich. »Aber sie war immer wie eine Mutter zu mir, hat sich um alles gekümmert und all ihr Geld gespart, jeden Heller, um mir eine Schulausbildung zu ermöglichen, damit ich aufgenommen werden konnte in den Orden der Zisterzienser.«
    »Aber warum nannte man dich denn Romary?«
    »Weil es Magister Amarin besser gefiel. Er meinte, Romary würde besser zu mir passen als Marinus. Es kam ihm leichter über die Lippen, wenn er mir mal wieder meine Lektion erteilte«, erklärte der Junge verbittert.
    Maurus presste die Lippen aufeinander und nickte.
    »Ich verstehe«, murmelte er dann. »Soll ich dich zu Enja bringen?«
    Marinus nickte.
    »Gut. In welche Richtung?«
    Marinus zeigte westwärts.
    »Dort müssen wir hin. Brüssel ist etwa eine Tagesreise von hier entfernt.«
    Maurus trieb das Maultier an und lenkte den Wagen der Hauptstadt der spanischen Niederlande

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