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Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Titel: Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Esch
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Hagelschlag und starker Regen folgten, so heftig als hätte der Himmel all seine Schleusen geöffnet. In strömendem Regen erreichten sie die Siedlungen vor den Toren Brüssels, in denen die Verfemten lebten: Henker, Totengräber, Hirten, Dirnen und Spielleute, deren Berufe in keinem hohen Ansehen standen. Die Ausgestoßenen der Gesellschaft, die doch eine wichtige Rolle spielten. Die Totengräber begruben nicht nur die Toten, sondern sie reinigten auch die Straßen, Gassen und Kloaken der Stadt. Und so wie Spielleute für das Tanzvergnügen der Menschen in der Stadt zuständig waren, so erfüllten Prostituierte eine nicht minder wichtige Aufgabe für das Leben in einer Stadt. Schließlich erfüllten sie einen für die Öffentlichkeit nicht unerheblichen Zweck, indem sie notgeile Männer befriedigten, damit sich diese nicht an ehrbaren Frauen vergriffen. Der Scharfrichter nahm vielleicht eine Sonderrolle ein, war er doch auch oft zugleich der Frauenwirt, der amtliche Aufseher über die Dirnen, die so genannten Hübschlerinnen. So war mancher Henker oftmals vermögend, galt aber dennoch als ehrlos und verfemt und musste so seinen Wohnsitz vor der Stadt einnehmen. Maurus lenkte den Wagen geschickt über die schlammigen Wege, bis hin zu der Hütte, in der nach Marinus’ Angaben seine Ziehmutter Enja lebte. Maurus sprang vom Wagen und stand bis über die Knöchel im Morast, ein zäher Schlamm, der wie eine undefinierbare dunkle Masse an seinen Schuhen und Strümpfen klebte. Mühselig bahnte er sich seinen Weg bis zur Hütte und klopfte.
    »Verflucht noch mal! Habe ich dir nicht gesagt, dass ich dich heute und morgen und überhaupt nicht mehr sehen will! Warum bist du immer noch hier?«, hörte Maurus eine Frauenstimme. Und noch ehe er sich von seiner Überraschung erholen konnte, wurde die Tür aufgerissen und er blickte in das Antlitz einer blonden Frau Ende Zwanzig, die kunstvoll ein rotes Band durch ihre Haare geflochten hatte, als Zeichen dafür, dass sie eine Hure war. Sie trug ein schlichtes Kleid, gar nicht so herausgeputzt, wie es sich Maurus ausgemalt hatte, denn die wenigen Male, die er mit Hübschlerinnen, wie man die Prostituierten auch nannte, in Berührung kam, waren sie eher aufreizend gekleidet, mit tief ausgeschnittenem Dekolleté, in bunten Kleidern und allerlei funkelndem Schmuck an Ohren, Hals und Händen. Enja war nicht so. Keine Kette schmückte ihren Hals, kein Gehänge ihre Ohren, nur ein schlichter Ring den Mittelfinger ihrer linken Hand. Ihre Augen funkelten grün und blassrosa Lippen zeichneten einen seidigen weichen Mund in ihrem Gesicht, aus dem Maurus ein warmer, wohlwollender Ausdruck entgegenschlug.
    Erschrocken riss Enja die Augen auf, als sie in Maurus’ Gesicht sah.
    »Verzeiht. Ich bitte um Entschuldigung, Hochwürden«, stammelte sie und blickte verlegen zu Boden.
    »Seid Ihr die Frau namens Enja?«, fragte Maurus und räusperte sich, ohne näher auf Enjas Ausbruch einzugehen.
    »Ja, Herr, ich meine Hochwürden. Ich bin Enja.«
    »Ich bin kein Priester. Ich bin ein einfacher Jesuit. Kennt Ihr einen Knaben namens Marinus Terhuizen?«
    Enjas Kopf schnellte nach oben. »Ja, Herr, was ist mit ihm? Hat er was angestellt, der Bengel?«
    »Nein, nein, beruhigt Euch.« Maurus musste lächeln. »Der Junge hat nichts angestellt. Er sitzt nur auf meinem Wagen und ich bringe ihn zu Euch.«
    Noch ehe Maurus etwas hinzufügen konnte, war Marinus vom Wagen gesprungen und kam zu ihnen herüber gelaufen.
    »Enja! Enja! Ich bin’s!«, rief er lauthals in freudiger Erregung, seine Ziehmutter zu treffen.
    »Marinus! Junge! Was hat das alles zu bedeuten?«, rief sie ihm fragend entgegen und schloss ihn sogleich freudig in ihre Arme. Maurus entging der verstohlene, aber überglückliche Blick, den sie ihm zuwarf, nicht. Dankbar nahm er diesen Blick auf und nahm lächelnd an ihrer Wiedersehensfreude teil.
    »Junge, du bist ja völlig durchnässt. Komm herein, Ihr auch, Hochwürden. Ich bin Euch ja so dankbar, dass Ihr meinen Jungen zu mir gebracht habt.
    Hinten durch in der Kammer steht ein Waschzuber. Ich werde gleich einen Kessel mit Wasser auf den Herd stellen, um euch beiden ein heißes Bad zu richten. Junge, was ist nur geschehen? Ich verstehe das alles nicht«, stellte sie überschwänglich viele Fragen, ohne direkt eine Antwort zu erwarten. Enjas Augen leuchteten und immer wieder musste sie Marinus in die Arme schließen und an ihr Herz drücken. Nachdenklich verfolgte Maurus die Szenerie. Sie

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