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Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Titel: Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Esch
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könnte tatsächlich seine Mutter sein, dachte er bei sich. Marinus war plötzlich wie ausgewechselt. Vorbei und vergessen schienen Kummer und Schmerz, die er Tage zuvor noch erleben musste. Marinus wirkte wie ein verspielter Knabe, der endlich wieder zu Hause war, zu Hause – nach einer langen abenteuerlichen Reise.
    Für einen winzigen Augenblick beneidete Maurus den Jungen, der nun unbeschwert mit Enja in der Hütte plauderte und froh zu sein schien, endlich wieder zu Hause zu sein. Ohne es zu merken, beobachtete Maurus unentwegt Enja, fasziniert von ihrem Wesen, beeindruckt von ihrer Schönheit und Grazie, wuchs in ihm unmerklich der Wunsch, an der Freude der beiden teilhaben zu können.
    Nachdem Enja mehrere Kessel heißen Wassers bereitet hatte, mussten Maurus und Marinus den Waschzuber besteigen und ein Bad nehmen.
    »Danke«, strahlte Marinus. »Vielen, vielen Dank. Du hast mir Enja wiedergegeben. Oh, verzeiht, Frater Maurus, Ihr habt mir Enja wiedergegeben.«
    »Ist schon gut, Junge«, lachte Maurus und spritzte Marinus mit dem Handrücken Wasser ins Gesicht. Kurz darauf planschten beide wild und ausgelassen im Waschzuber herum.
    »Was macht ihr beide da?«, hörten sie Enja rufen. Marinus und Maurus sahen sich lachend an.
    »Nichts, gute Frau. Wir reinigen nur unsere schwarzen Seelen!«, rief Maurus zu ihr herüber.
    »Dann seht mal zu, wie ihr sie wieder weiß kriegt! Ich habe eine Kräutersuppe gekocht. Sonst bekommt ihr bei diesem Sauwetter noch eine Erkältung.«
    Kurze Zeit später saßen Maurus und Marinus zu Tisch und löffelten mit Heißhunger die Kräutersuppe in sich hinein und aßen dazu einen Kanten Brot.
    Danach hielt es Enja nicht mehr länger aus und wollte wissen, was geschehen war. Maurus und Marinus erzählten ihr die Geschichte, der die Frau fassungslos lauschte.
    Marinus’ Geschichte trieb ihr Tränen in die Augen und sie bat den Jungen mehrfach um Entschuldigung, weil sie nicht geahnt hatte, welch schlimmes Leben Marinus bei den Zisterziensern führen musste.
    »Wer weiß, was Marinus noch alles zugestoßen wäre, wenn Ihr ihn nicht gerettet hättet. Danke Frater, seid vielmals bedankt.«
    Maurus nickte verlegen.
    Sie wischte sich mit dem Zipfel ihrer Schürze die Tränen aus dem Gesicht. »Warum hast du mir denn nie etwas gesagt, Marinus?« Sie ergriff Marinus’ Hand und presste sie ganz fest an sich.
    »Was hätte es genützt? Man hätte weder mir noch dir geglaubt. Der Abt war fort und der Prior steckte mit Amarin unter einer Decke. Er hätte ihn niemals bestraft«, entgegnete der Knabe. »Im Gegenteil, man hätte mich bestraft und umso schlimmer gequält. Matys wollte einmal weglaufen, dafür steckte man ihn drei Tage in ein kaltes Erdloch, ohne Essen, mit nur einer Tasse Wasser am Tag. Und hinterher musste er heftige Lektionen über sich ergehen lassen.«
    Maurus betrachtete Marinus und Enja, die sich eng aneinander schmiegten, liebevoll, beneidete die beiden. Sie waren eine kleine Familie, die er als Mann der Kirche nie haben durfte, hatte er doch bei Eintritt in die Gesellschaft Jesu ein Keuschheitsgelübde abgelegt. Leise Zweifel an seiner Profession keimten in ihm auf.
    Marinus löste sich herzhaft gähnend aus der Umarmung.
    »Ich bin müde«, sagte er.
    »Dann leg dich in dein Bett, mein Junge. Es ist immer noch da.«
    »Wirklich?«
    »Ja, Marinus.«
    Der Junge sprang behände auf und verschwand hinter einem Vorhang, der einen kleinen Teil des Raumes vom übrigen abtrennte.
    »Gute Nacht!«, rief er.
    »Gute Nacht, Marinus«, antworteten Maurus und Enja. Die beiden sahen sich eine ganze Weile schweigend an. Ein jeder nahm das Bild des Anderen in sich auf. Dann unterbrach Enja die Stille.
    »Ihr seht gar nicht aus wie ein Geistlicher.«
    Maurus lächelte.
    »Und Ihr seht nicht aus wie eine –.«
    Er konnte das Wort einfach nicht aussprechen.
    »Wie eine Hure, sagt es ruhig. Es stimmt, ja. Ich verdiene mein Geld damit, dass ich anderen Männern gefällig bin. Ich bin Euch zu Dank verpflichtet, und wenn Ihr wollt, dann kann ich auch Euch auf Hochtouren bringen, wenn Ihr es wünscht. Es wäre mir noch nicht mal eine Mühsal. Es wäre mir in Eurem Fall ein Vergnügen.«
    »Ich muss dieses Angebot leider ablehnen«, wehrte Maurus Enjas Angebot ab. »Ihr braucht mir für Marinus’ Rettung nicht zu danken. Dankt Gott dafür. Er hat uns beide aus diesem verruchten Ort fortgeführt und zu Euch gebracht.«
    Es trat wieder eine gewisse Stille ein. Ihre Augen trafen sich. Sie

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