Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
unbeschreibliches Hochgefühl stieg in ihm auf und er wünschte sich nichts Sehnlicheres als dass dieser Moment niemals vergehen würde und spürte das brennende Verlangen, Enjas Kuss zu erwidern. So verharrten sie minutenlang eng ineinander verschlungen und küssten sich, bis Enja sich erneut von ihm löste.
Maurus stand da und wusste nicht so recht, was er tun sollte. Verlegen, die Arme noch ausgebreitet, sah er von Enja zum Boden und vom Boden zu Enja.
»Ihr sagtet, dass Ihr ein Mann der Kirche seid. Ihr müsst das nicht tun. Werdet Euch klar darüber, wem Eure Liebe gilt. Vielleicht sind Eure Gefühle mir gegenüber ja nur der Rausch einer einzigen Nacht und morgen seht Ihr die Welt wieder mit ganz anderen Augen. Ich will nicht, dass Ihr irgendetwas tut, was Ihr hinterher bereut, Maurus van Leuven. Nun kommt mit nach hinten in den Waschraum. Ich will Euch wenigstens Euren verspannten Rücken durchkneten.«
Wortlos folgte Maurus Enja in die Badestube. Dort entblößte er nach einigem Zögern seinen Oberkörper, legte sich auf eine Pritsche und ließ sich von Enjas geschickten Fingern durchkneten.
»Verratet mir eines: Wie kommt Ihr eigentlich zu diesem Namen, Maurus van Leuven?«
»Wie ich zu meinem Namen komme, das will ich Euch gerne erzählen. Maurus war ein heiliger Benediktinermönch und Abt in Subiaco. Da meine Mutter eine sehr fromme Frau war, gab sie mir diesen Namen, weil ich schon als Kind eher schwächlich war und sie befürchtete, ich würde schon im Kindesalter sterben. So sollte mich doch wenigstens ein Heiliger während meines Lebens begleiten und beschützen. Den Beinamen van Leuven erhielt ich erst während meines Lehramtes in Cölln. Man war dort nicht in der Lage, meinen wahren Familiennamen richtig auszusprechen, der tatsächlich Schouwenaars lautet. So gab man mir den Namen meines Heimatortes als Beinamen, denn schließlich stammt ein großer Teil meiner Familie aus Leuven und ich selbst habe dort studiert und den größten Teil meines Lebens verbracht.«
»Und warum wurdet Ihr dann Mönch?«
»Ich bin kein richtiger Mönch, Enja. Ich bin ein Mitglied der Gesellschaft Jesu, ein einfaches Mitglied und habe keine Priesterweihe empfangen. Ich habe alte Sprachen studiert und bin auch Schriftgelehrter. Und seid ehrlich: Wirke ich wie ein Mannsbild?«
Enja gab keine Antwort, sondern ließ weiterhin Maurus’ Rückenmuskulatur sanft durch ihre Finger gleiten, jedes Knötchen fühlend und jedes Knötchen sanft auflösend.
»Ich bin weiß Gott kein kräftiger Mann, der für das Handwerk oder die Kriegskunst geschaffen ist, der eine Frau auf den Händen tragen könnte. Seht mich nur an. Ich bin eher schwächlich, bin nicht kräftig und sehe nicht aus wie ein Athlet.«
»Aber Ihr besitzt Verstand, Jesuit. Euer Verstand ist Euch wichtig, Euer Glaube, ja vielleicht sogar Eure Prinzipien. Die Kerle, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, und es waren weiß Gott nicht wenige, das muss ich zu meiner Schande gestehen, hatten meist nur ihre Männlichkeit im Sinn, waren darauf aus, ihren Trieb zu befriedigen und es allen Frauen so richtig zu besorgen, wenn Ihr versteht, was ich meine. Sie besaßen kaum Verstand. Und wenn sie welchen hatten, dann waren sie nicht in der Lage zu akzeptieren, dass eine Frau auch Verstand haben könnte. Dann reagierten auch sie mit Gewalt! Schade, dass ich Euch nicht früher getroffen habe, Maurus Schouwenaars van Leuven!«
Maurus konnte in dieser Nacht nicht schlafen. Zu sehr beschäftigten ihn Enjas Äußerungen und ihre Ansicht über Gott. Zugegeben: Ihre Tante war möglicherweise eine Hexe gewesen und wurde zu Recht auf dem Scheiterhaufen verbrannt, aber warum ließ Gott Marinus’ Schicksal zu? Warum tat er das dem Jungen an? Wen wollte Gott bestrafen? Er dachte an die Ereignisse der letzten Tage und Wochen, seinen Auftrag und das Sündenbabel Villers, das er vorgefunden hatte und das vom Leibhaftigen dem Erdboden gleich gemacht wurde. Warum hatte Gott ihn hierher geführt? Warum führte er ihn hier in Versuchung? So schnell wie der Gedanke kam, verwarf er ihn auch wieder, nein, Enja war nicht die Versuchung, Enja war das Ziel.
Quo Vadis, Domine?
Kapitel 28
Treffen mit Kepler
Nach drei Tagen wenig beschwerlicher Kutschfahrt von Würzburg aus hatten Matthias, Ephraim Trachmann und der Kutscher Konrad Gropper Regensburg endlich erreicht.
Die Tage bis dahin vergingen für Matthias quälend lang, zu sehr hatten ihm die Ereignisse in Mergentheim zugesetzt und
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