Das Geheimnis der Salzschwestern
– dass Touristen von einem solchen Anstrich angetan sein würden, nicht aber die Menschen hier vor Ort. »Klar«, sagte er trotzdem. »Ganz wie Sie wollen.« Und dann zog er los, um sein Werkzeug aus dem Truck zu holen.
Während sie zusammen die Bänke in den Sitznischen neu bezogen und die Theke abschmirgelten, hörte Dee zu, wie ihr Vater Mr Weatherly ins Kreuzverhör nahm und ihm alle möglichen Informationen aus der Nase zog, angefangen damit, wie das Wetter denn hier in den Wintermonaten war, bis zu der Frage, wo man in der Gegend die frischesten Eier bekam.
Mr Weatherly beantwortete alle Fragen einsilbig, aber geduldig, bis er Cutt mit einem Mal anstarrte und fragte: »Sind Sie eigentlich schon mit Jo Gilly zu einer Einigung gekommen?«
Dee sah, wie ihr Vater das Schmirgelpapier sinken ließ und sich über die Stirn wischte. »Was?«, fragte er, und seine Stimme war von einer gewissen Gereiztheit durchdrungen.
Ein seltsamer Ausdruck huschte über Mr Weatherlys hageres Gesicht. Nicht direkt Angst. Eher eine gewisse Nervosität, dachte Dee. Als ob er gleich etwas sagen würde, was besser niemand mitbekommen sollte, und da sie nichts mehr liebte als ein wenig deftigen Klatsch und Tratsch, lehnte sie sich vor, um auch ja nichts zu verpassen.
»Draußen vor der Stadt, etwa eine Meile in diese Richtung«, er zeigte mit dem Daumen hinter sich, »noch hinter der Kirche, St. Agnes zur See, gibt es eine Marsch. Die gehört den Gilly-Schwestern oder hat zumindest den beiden gehört, bis die jüngere die ältere beinahe bei lebendigem Leibe in der Salzscheune verbrannt hätte und dann weggezogen ist.«
Dee rückte weiter zu den beiden Männer an der Theke auf und ließ Besen und Kehrblech in der anderen Ecke des Restaurants stehen. Mr Weatherly nahm seine Kappe ab und kratzte sich langsam am Kopf, mit derselben Gelassenheit, mit der er auch alles andere erledigte. »Das war, äh, so vor zwölf Jahren, würde ich sagen, 1968. Eine verrückte Zeit, nicht? Sogar hier draußen in Prospect. Selbst bei uns sind Hippies mit ihren Bullis voller Joints durchgerollt, und die Leute sind sich auf offener Straße an die Gurgel gegangen, wenn es um diesen verdammten Vietnamkrieg ging. Wissen Sie, mein Bruder hat da drüben seinen einzigen Jungen verloren. Traurige Zeiten.«
Dees Vater, selbst ein Veteran jener Jahre, nickte, und Dee hoffte nur, dass sich die Unterhaltung jetzt nicht in eines dieser Männergespräche verwandeln würde, in denen es um Schlachten und Präsidenten und all diese üblen Sachen ging, die die Politiker den einfachen Leuten aufgebürdet hatten. Aber sie hatte Glück, Mr Weatherly kratzte sich nämlich ein letztes Mal am Kopf, setzte seine Kappe dann wieder auf und kam zum Punkt. »Damals waren die Zeiten besser draußen auf der Salt Creek Farm«, erklärte er. »Hart, aber besser.«
Dee nickte unwillkürlich und sah dann, wie ihr Vater in ihre Richtung hinüberfunkelte. Rasch kehrte sie zu ihrem Besen zurück, bewegte sich dann aber fegend auf Mr Weatherly zu.
»Joanna ist eine ziemliche Einzelgängerin«, erklärte der gerade. »Ganz anders als ihre Schwester Claire. Jo taucht nur selten hier in der Stadt auf, aber wenn sie kommt, sollten Sie besser nett zu ihr sein. Sie ist diejenige, die drau ßen in der Marsch lebt , und unser Wohlstand hängt von ihrem Salz ab. Das werden Sie noch früh genug herausfinden.«
»Ich dachte, der hängt vielmehr vom Meer ab«, warf Dee ein und ignorierte den Blick ihres Vaters.
Mr Weatherly schüttelte den Kopf und fuhr mit seiner Arbeit fort. »Nein. Es hat etwas mit dem Salz zu tun. Übrigens, lassen Sie sich von Jos Aussehen nicht abschrecken. Vergessen Sie nicht, sie ist in dieses fürchterliche Feuer geraten. Seien Sie nett zu ihr. Und wenn Sie Ihnen ihr Salz anbietet, dann sagen Sie am besten ja und kaufen welches. Ihrer Schwester wird das zwar nicht gefallen – sie erzählt allen, das Zeug sei verseucht –, aber ich weiß es besser und hab schlauerweise immer welches da. Hören Sie auf meine Worte, Sie werden es nicht bereuen.«
Cutt blickte finster drein. Er war schließlich noch immer ein Marinesoldat und ließ sich von Drohungen nicht ins Bockshorn jagen, das wusste Dee, vor allem nicht, wenn sie von einer verschrumpelten Frau kamen, die ihm mit nichts weiter drohte als mit ihrem Salz. »Das werden wir ja sehen«, murmelte er und schlug einen Nagel in die Theke. »Das werden wir ja sehen.«
Was ist denn mit der anderen Schwester, hätte Dee gerne
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