Das Geheimnis der Salzschwestern
zusammen, als Whit der Erde einen Tritt versetzte. Ihm stand der Sinn offensichtlich nicht nach Scherzen.
»Genau das hat mir mein Vater gerade eröffnet«, erklärte er und wischte sich eine Träne von der Wange. »Wir haben uns übernommen. Uns gehört so einiges, das bringt aber alles nichts ein. Keine neuen Segelboote mehr für mich, hat er gesagt. Für meine Ausbildung reicht es noch, aber viel bleibt dann nicht mehr übrig. Wenn ich mit dem College fertig bin, komme ich hierher zurück …«, er ließ den Blick mit zusammengekniffenen Augen über die Marsch wandern, »… und trete in die Fußstapfen meines Vaters. ›Vielleicht machst du deine Sache ja besser als ich‹, hat er zu mir gesagt. ›Und ich hoffe, du bist nicht so töricht wie deine Mutter.‹«
Jo legte den Kopf zur Seite. »Töricht« hätte sie Ida jetzt nicht gerade genannt. »Was meinst du damit?«
Whit schniefte. »Bei Mutter ging es immer nur um euer Land. Sie hat offensichtlich geglaubt, dass das Salz die Kassen der Familie wieder auffüllen würde, wenn das alles hier uns gehörte. Aber sie hat in ihrem Testament etwas Seltsames verfügt. Darin steht nämlich, dass ich dich niemals heiraten darf. Sonst werde ich sofort enterbt.«
Jo erbleichte. »Das ist doch lächerlich«, murmelte sie. »Glaubst du etwa, wir würden hier so leben, wenn man das Salz kontrollieren könnte?« Offensichtlich nagte die Trauer an Whit, aber anstatt sich ihr zu ergeben wie normale Menschen, hatte er sich scheinbar vorgenommen, Idas Plan in die Tat umzusetzen und das Gut zu kaufen. Vielleicht glaubte er ja, über den Schmerz hinwegzukommen, wenn er etwas an sich brachte, wonach Ida sich unendlich gesehnt hatte. Aber so lief das auf der Salt Creek Farm nicht. In der Marsch war ein Verlust von Dauer und nicht wiedergutzumachen. »Gib es auf«, riet ihm Jo. »Das Salz holt deine Familie auch nicht aus den roten Zahlen, und dieses Land wird niemals den Turners gehören. Deine Mutter hätte gar nicht zu befürchten brauchen, dass du mich deshalb heiratest.«
Whit klappte sein Notizheft zu, schob es sich in die Tasche und lehnte sich dann zurück. Er hatte sich wieder gefangen und betrachtete sie nun von oben herab, als hätte er ihr gerade gezinkte Karten untergeschoben. Als er jünger war, dachte Jo, waren seine schelmischen Mogeleien ja noch ganz charmant und lustig gewesen, aber jetzt hatte das Ganze irgendwie eine beunruhigende Note. Ihr wurde klar, dass sie den Panzer, den er sich seit seinem Weggang aus der Stadt zugelegt hatte, niemals durchbrechen würde – nicht heute, nicht morgen, vermutlich sogar niemals.
»Ich weiß nicht so genau, wie das mit dem Salz funktioniert, Jo«, erklärte er. »Aber meine Mutter war nicht dumm, und wenn sie geglaubt hat, dass es unser Vermögen retten kann, dann werde ich nicht aufgeben.« Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und schlenderte zur Straße hinunter. Dabei pfiff er scheinbar fröhlich vor sich hin, obwohl Jo ihn natürlich durchschaute.
»Auf unser Salz kannst du bis zum Sankt Nimmerleinstag warten, Whit Turner!«, rief sie ihm hinterher, aber er tat so, als hätte er sie gar nicht gehört. Insgeheim befürchtete Jo, dass Whit womöglich noch ein Ass im Ärmel hatte.
Als sie in die Küche kam und Mama besorgt erzählte, was passiert war, zuckte die nur mit den Achseln. Sie wandte sich wieder ihrem Brotteig zu und knetete den Batzen sanft und gleichmäßig. »Jetzt sei doch nicht albern«, mahnte sie. »Auch Whit Turners Pläne springen uns nicht einfach ins Gesicht wie ein Schachtelteufelchen. Die Zukunft wird Stein um Stein erbaut, so langsam, dass du es gar nicht mitbekommst.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, murmelte Jo.
Ihre Mutter schlug die Handflächen gegeneinander und drehte das Brot auf der Arbeitsplatte um. Sie hielt inne, und der in sich zusammengesunkene Teig breitete sich immer mehr vor ihr aus. Er war nur eine Möglichkeit, die sie mit ihren eigenen Händen geschaffen und dann wieder zerstört hatte. »Natürlich habe ich recht«, sagte sie, aber ihre Finger blieben im Teig stecken, und Jo wusste, dass sie an Henrys Tod dachte. Damals hatte Mama auch in der Küche gestanden, und der Moment musste wie eine Art Explosion gewesen sein, als all ihre Sorgen über die Zukunft mit dem Unheil ihrer Vergangenheit kollidierte. Jo war nur der Funken gewesen, der die Verpuffung in Gang gesetzt hatte, ein weiterer Stein auf dem täglichen Weg zur Misere ihrer Mutter.
»Lass mich mal«, meinte
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