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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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die Luft und war endlich frei.
    »Jo …«, versuchte sie hervorzuwürgen, aber es folgte ein furchtbares Krachen, eine Fontäne von hölzernen Splittern, und dann ging ihr die Luft aus. In der Entfernung hörte sie Sirenen, und als sie den Kopf wieder umwandte, stürzte die ganze Scheune ein, und sie hielt sich die Augen zu. Claire wollte nicht länger mit ansehen müssen, was ihr gebrochenes Herz heraufbeschworen hatte.

K APITEL 9
    Z uerst dachte Jo, Claire hätte mit ihrer Zündelei vielleicht versucht, sie umzubringen. Als sie aber später von Ethans Aufnahme in das verdammte Priesterseminar erfuhr, vermutete sie, dass Claire vielmehr sich selbst umbringen wollte und Jo ihr dabei in die Quere gekommen war. Das würde auch viel besser zu Claire passen, die ihre Angelegenheiten gern regelte wie ein wildgewordener Hund auf der Jagd. Sie folgte ihrem Instinkt ohne Rücksicht auf die armen Tierchen zu nehmen, die sie dabei vielleicht aufscheuchte.
    Claire war den ganzen Sommer über die reinste Nervensäge gewesen, hatte sich nach Ethan verzehrt und nicht viel anderes gemacht. Mama war es nicht besonders gut gegangen, und deshalb hatte die Last der Marsch noch mehr als sonst auf Jos Schultern geruht. Und die waren breit, aber selbst sie hatte ihre Grenzen.
    Das Feuer, das Claire an jenem Tag entzündete, richtete mehr an, als nur Jos Körper entzweizureißen. Es griff auch ihr Gedächtnis an, denn jedes Mal, wenn sie versuchte, sich ein komplettes Bild von jenem Abend in Erinnerung zu rufen, lief es einzig auf eine Handvoll geschmolzener Fragmente heraus, die sie nur zusammenfegen und in die Glut zurückwerfen konnte. Am deutlichsten war ihr noch im Gedächtnis geblieben, wie rasch Claire hinter den flackernden Flammen verschwunden war. In einer Minute hatte Jo ihr noch zugerufen, sie solle die blöde Zigarette nicht anzünden, und in der nächsten war von Claire nur noch ein Umriss hinter Funken und Rauch zu sehen gewesen. Es war ihr wie ein misslungener Zaubertrick vorgekommen, und sie hatte nur noch daran denken können, dass Claire für immer verloren sein würde, wenn sie sie nicht aus dieser Scheune herausholte. Aus Jos Leben waren schon genug Menschen verschwunden.
    Letztlich waren fast vierzig Prozent von Jos Körper verbrannt, alles auf der rechten Seite. Wochenlang lag sie in Boston auf der Intensivstation für Brandopfer, eingehüllt in feuchte Verbände, die ihre versengte Haut und Augen bedeckten. Von Zeit zu Zeit kam sie zu sich und driftete dann wieder in die Bewusstlosigkeit ab. Obwohl sie nicht mehr genau wusste, ob sie ihre Schwester nun gerettet hatte, meinte sie, sich an Claires spindeldürres Handgelenk in ihrer Hand und das Gewicht von Claires Knochen zu erinnern. Aber die Einzelheiten – ob sie Claire nun getragen oder hinausgeschleift hatte, ob sie durchs Fenster oder die bereits lodernden Türen entkommen waren – blieben verschwommen. Mama erklärte ihr, sie habe Claire durchs Tor hinausgeschleudert, sei dann aber selbst von den herunterkrachenden Balken im Inneren eingeschlossen worden. Eigentlich hätte Jo das Claire am liebsten selbst gefragt. Wenn sie sich gelegentlich durch den Nebel von Schmerz und Medikamenten kämpfte, war ihre Schwester jedoch nie da. Und dann kam sie eines Nachmittags plötzlich doch, und ihre Stimme zwitscherte und schwoll an wie ein Vogel in Not.
    »Nein«, flehte sie. »Bitte, zwingen Sie mich nicht dazu. Ich weiß ja, was sie für mich getan hat, aber Jo ist doch so stark, und ich bin nicht wie sie. Bitte.«
    »Ihre Schwester hat doch schon so viel durchgemacht«, erwiderte eine andere Person mit leicht dunklerer Stimme, in der ein Hauch Ungeduld mitschwang. Das war Dr. Meyer, die einzige weibliche Ärztin, die Jo je getroffen hatte. »Das Ganze ist noch in der Testphase, aber wir haben mit den bereits durchgeführten Operationen fantastische Ergebnisse erzielt. Wir würden Haut von ihrem Gesäß nehmen und es auf Ihre Schwester übertragen«, erklärte sie. »Am liebsten verwenden wir ja Körpergewebe vom Patienten selbst, aber in diesem Fall denken wir, dass Sie die ideale Spenderin wären, um eine Abstoßung zu verhindern.«
    Niemand sprach. Jetzt hatte Jo das Gefühl, dass die sterile Krankenhausluft zu einer Wolke aus dichtem Qualm geworden war. Wie schlimm ist es wohl , fragte sie sich. Sie hatte es noch nicht geschafft, die Augen zu öffnen und sich selbst anzusehen, aber ihr tat einfach alles weh.
    Jetzt sprach Dr. Meyer weiter: »Sie brauchen das

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