Das Geheimnis der schönen Catherine
mach es mir nicht noch schwerer. Du weißt genauso gut wie ich, dass ich dich nicht heiraten kann. Mit Sir Williams Schachspiel erwischt zu werden hat alle meine Chancen auf eine Ehe zunichte gemacht.« Sie berührte seine Wange. »Die zukünftige Mrs. Devenish muss ihrem Mann und ihren Kindern zur Ehre gereichen, statt sie mit schrecklichen Geheimnissen aus ihrer Vergangenheit zu beschämen.« Sie wandte sich ab und starrte aus dem Bullauge.
»Du wirst mir Ehre …«
»Nein!« Catherine schüttelte den Kopf und sah aus dem kleinen Fenster, während sie mühsam um Fassung rang. Trübe graue Wellen schlugen unablässig gegen den Rumpf des Schiffs, und über das Wasser hallte das einsame und traurige Geschrei der Möwen.
Eine lange Pause entstand. Hugo betrachtete sie, wie sie im Gegenlicht vor dem Bullauge stand. Die Frau seiner Wahl, die gegen sich selbst ankämpfte. Gegen ihn. Schließlich sagte er mit rauer Stimme:
»In deinem Brief hast du geschrieben, dass du die drei Menschen zurücklassen musst, die du mehr als alle anderen liebst.«
Sie schwieg.
»Zu diesen drei Menschen – gehöre da auch ich dazu?« fragte er leise.
Mit einer Stimme, die vor unterdrückter Leidenschaft bebte, erwiderte sie: »Wie kannst du das nur fragen? Ist dir nicht klar, dass du für mich der Wichtigste von allen bist? Ich liebe dich von ganzem Herzen, mehr als alles andere in der Welt. Du bedeutest mir so viel, und darum kann ich dich nicht …«
»Dreh dich um, du törichtes Ding.«
Zögernd wandte sich Catherine um.
»Komm her.« Er streckte die Arme nach ihr aus.
Sie flog ihm durch die Kajüte entgegen und stürzte sich in seine Arme. Er hielt sie fest, und sie taumelten zurück und fielen zusammen auf die kleine Koje. Sie merkten es gar nicht, denn ihre Lippen hatten in verzweifelter Leidenschaft zueinander gefunden. Sie schloss die Augen und gab sich ganz dem Moment und dem Mann hin.
Seine Lippen sagten ihr das, was er mit Worten nicht sagen konnte: wie sehr er sie begehrte, wie sehr er sie liebte, dass sie von nun an ihm gehörte. Dieser Kuss entfachte ein Feuer in ihr, das sie verzehrte, verschlang, für immer veränderte. Jetzt wusste sie, was Leidenschaft, was Liebe war.
Sie genoss die Kraft seines Körpers, die verhüllte Kraft, mit der er sie festhielt, die Hitze seiner Glieder. In seinen Armen fühlte sie sich behütet, geliebt, begehrt. Sogar das leichte Kratzen seines Wollmantels an ihrem Hals und der Geruch nach feuchter Wolle, der von ihm ausging, ließen sie wohlig erschauern. Sie erfuhr, wie er roch, wie sich sein Haar anfühlte. Und wie sich seine Lippen auf den ihren anfühlten, dass sie Empfindungen in ihr wachriefen, die sie nie für möglich gehalten hätte.
Seine Stärke, seine Zärtlichkeit, seine Freude über jede kleine Geste der Zuneigung, all das war Balsam für ihre Wunden, die ihr das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit geschlagen hatte. Jede seiner Berührungen nahm etwas von der Scham und der Furcht und der Einsamkeit, die in den letzten Tagen ihre steten Begleiter gewesen waren. Und sie zeigte ihm ihre ganze Liebe, legte sie in all ihre Umarmungen und Zärtlichkeiten und hoffte, es wäre genug. Während sie doch gleichzeitig wusste, dass sie niemals zusammenfinden konnten.
Nach einiger Zeit hielt er inne und rückte ein Stückchen von ihr ab. Catherine öffnete die Augen und begegnete seinem Blick. Sie wollte ihn schon fragen, was los sei, als er sanft ihr Gesicht umfasste, als sähe er etwas unsagbar Wertvolles darin. Sanft strich er ihr über das Kinn und sah sie einfach nur an.
»Ich … ich würde dich gerne zu meiner Frau machen«, sagte er leise. »Wenn du das jetzt nicht möchtest, sag es einfach, Catherine, dann höre ich auf.«
Catherine sah die Begierde und den Stolz in seinem Blick und einen stillen, verzweifelten Hunger.
Wieder zerriss es ihr vor Liebe schier das Herz. Diesen großen, sanften, leidenschaftlichen Mann musste man doch einfach lieben. Sie jedenfalls konnte nicht anders. Sie gehörte ihm, für alle Zeiten, selbst wenn sie nur dieses eine Mal zusammen sein konnten.
Es musste passieren. Sie war in diesen Dingen zwar unerfahren, aber wenn ein Mann und eine Frau mit solchen Gefühlen auf ein Bett sanken, dann …
Catherine wollte es. Sie wollte es so sehr.
Wie ein Eichhörnchen seine Nüsse hortet, so hatte sie ihr ganzes Leben lang die glücklichen Momente aufbewahrt. Viele hatte es davon nicht gegeben, aber wenn sie einen erlebte, kostete sie ihn bis zur Neige
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