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Das Geheimnis der schönen Catherine

Das Geheimnis der schönen Catherine

Titel: Das Geheimnis der schönen Catherine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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trocknete sich die Tränen mit Catherines Taschentuch. »Kommen Sie, spritzen Sie sich ein bisschen kaltes Wasser ins Gesicht, dann wird es Ihnen gleich besser gehen. Soll ich Ihre Mutter holen?«
    »Oh nein, bitte nicht! Mama wäre sehr böse auf mich.« Miss Lutens hielt sich die Hand vor die Augen. »Es ist nichts. Ich verhalte mich töricht. Es ist nur, dass Sir Bar… Nein, vergessen Sie das lieber.« Sir Bar… Catherine runzelte die Stirn. Dann fiel ihr ein, sie hatte das Mädchen des Öfteren in Gesellschaft von Sir Bartlemy Bowles gesehen. »Sir Bartlemy Bowles hat Sie belästigt?«
    fragte sie. »Ich habe Sie vorhin in seiner Gesellschaft gesehen. Meine Tante hat mich vor ihm gewarnt. Er hat Arme wie eine Krake, nicht wahr?« Miss Lutens sah sie mit großen Augen an.
    Catherine räusperte sich. »Er scheint zu viele Hände zu haben, mit denen er zu viel, äh, herumtätschelt, will ich damit sagen.«
    »Oh!« rief Miss Lutens aus und errötete dann. »Ja, genauso ist es. Und feucht sind sie auch!« Sie wrang die Hände. »Ich ertrage es einfach nicht länger!«
    »Warum sagen Sie das nicht Ihrer Mutter?« empfahl Catherine ihr. »Sie wird ihm schon den Kopf zurechtsetzen. Meine Tante hat erzählt, es wäre allgemein bekannt, dass er junge Mädchen belästigt.« Miss Lutens schüttelte den Kopf und schniefte: »Nein, das ist ja das Problem! Ich habe Mama schon gesagt, dass er mich belästigt. Aber Mama will nicht glauben, dass sich Sir Bartlemy unehrenhaft beträgt. Sie hat gesagt, ich bilde mir das nur ein.«
    Nervös knetete sie an dem Taschentuch herum. »Er war einer ihrer Galane, bevor sie Papa geheiratet hat, und ich glaube, sie mag ihn noch immer.« Sie biss sich auf die Lippen. »Ich glaube … ich glaube, meine Mutter denkt, dass er mir nur deswegen so viel Aufmerksamkeit schenkt …«
    »Hmm.« Erst jetzt verstand Catherine, in welchem Dilemma das Mädchen sich befand. »Nun, dann müssen Sie den alten Schwerenöter eben selbst loswerden.« Aus großen braunen Augen schaute das Mädchen sie an: »Ihn loswerden? Aber wie?«
    »Sagen Sie ihm doch einfach, dass er seine Hände bei sich behalten soll.« Miss Lutens sah sie kläglich an.
    »Ich weiß nicht, ob ich das kann … Und was, wenn er nicht auf mich hört?«
    »Dann versetzen Sie ihm eine Ohrfeige!«
    »Oh, aber ich kann ihn doch nicht schlagen!« rief Miss Lutens entsetzt. »Es wäre skandalös! Nein, das kann ich wirklich nicht, einen Mann seines Alters und seines Ranges … Das ist unmöglich!« Catherine überlegte einen Moment. Miss Lutens hatte natürlich Recht. »Nun, seien Sie tapfer und sprechen Sie ihn darauf an. Und wenn er Sie dann immer noch belästigt, lassen Sie es mich wissen. Ich werde mir etwas einfallen lassen. Wir Frauen haben im Leben schon genug zu erdulden – auch ohne unerwünschte Aufmerksamkeiten von Männern wie Sir Bartlemy Bowles.« Das Mädchen umklammerte Catherines Hand und lächelte unter Tränen. »Oh, ich bin ja so froh, dass ich Sie getroffen habe! Auf diesen Ball habe ich mich überhaupt nicht gefreut, weil Sir Bartlemy mich und Mutter begleitet! Aber jetzt, wo ich eine Freundin gefunden habe, geht es mir schon viel besser.« Catherine lächelte zurück, aber sie hatte kein gutes Gefühl dabei. Schließlich wollte sie sich mit niemandem in London anfreunden. Ihre Maskerade war zu leicht zu durchschauen. Bei Miss Lutens war sie eben vollkommen aus der Rolle gefallen, die sie sonst spielte, der Rolle der unerfahrenen Unschuld. Das war sehr töricht gewesen. Aber Catherine konnte einfach nicht über ihren Schatten springen. Sie selbst hatte sich gegen Übergriffe zu verteidigen gelernt, als sie noch sehr klein gewesen war – bei ihrem Leben auch eine Notwendigkeit. In London war ihr besonders stark bewusst geworden, wie ungewöhnlich sie erzogen worden war. Bislang hatte Catherine die anderen Debütantinnen eher sehnsüchtig beobachtet, sie um ihre Eltern und die schützenden Anstandsdamen beneidet und sich gefragt, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn ihr Vater sie ebenso verwöhnt hätte, wie diese Eltern ihre Töchter verwöhnten. Jetzt wurde ihr klar, dass der schützende Kokon, in dem diese Mädchen aufwuchsen, sie wehrlos gegenüber unerwünschten Aufmerksamkeiten von Leuten wie Sir Bartlemy Bowles machte. Ohne den Beistand ihrer Mutter war Miss Lutens wie eine Auster ohne Schale: weich, ungeschützt und unfähig, sich selbst zu verteidigen. Zum Glück, sagte sich Catherine nun, habe ich gelernt,

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