Das Geheimnis der schönen Catherine
mich meiner Haut zu wehren. »Sie brauchen sich mit solchen Dingen nicht abzufinden«, erklärte sie Miss Lutens. »Sie können etwas an der Situation ändern.«
»Ja?« fragte Miss Lutens eifrig. »Sie müssen Sir Bartlemy gegen sich aufbringen.«
»Aber wie? Und was würde Mama dazu sagen?«
»Ihre Mutter wird daran nichts ändern können. Und wenn Sie klug sind und nicht allzu offensichtlich vorgehen, wird sie Ihnen nicht lange böse sein.« Sie sah Miss Lutens bedeutungsvoll an und fügte mit einem leichten Lächeln hinzu: »Einem jungen Mädchen, das wegen seines Debüts nervös ist, wird leicht verziehen.« Miss Lutens sah sie verständnislos an. Catherine zwinkerte. »Machen Sie sich keine Sorgen. Habe ich Sie richtig verstanden? Sie haben bereits zweimal mit Sir Bartlemy tanzen müssen?« Miss Lutens nickte. »Gut. Zu mehr sind Sie heute Abend nicht verpflichtet. Hmm. Werden Sie am Mittwoch auch bei Almack’s sein?«
»Ja, Mama hat uns Eintrittskarten besorgen können.«
»Ich werde auch dort sein. Und zweifellos auch Sir Bartlemy.«
»Ja«, sagte Miss Lutens traurig. »Er geht sehr gern dorthin.«
»Dann zeige ich Ihnen am Mittwoch, was ich meine«, sagte Catherine. »Und bringen Sie unbedingt Ihre spitzeste Hutnadel mit.« Miss Lutens riss die Augen auf. »Eine … eine Hutnadel? Aber ich werde keinen Hut tragen!« Catherine fragte sich, wie es wohl war, so behütet, unschuldig und vertrauensvoll zu sein. Es musste einen sehr hilflos machen. »Die Hutnadel ist nicht für einen Hut gedacht, Miss Lutens, sondern für Kreaturen wie, sagen wir, Kraken. Wenn solche Ungeheuer Sie belästigen, nehmen Sie Ihre Nadel und …« Sie deutete pantomimisch an, was Miss Lutens mit der Nadel machen sollte. »Hutnadeln können sehr nützliche Dinge sein, meine Liebe. Stecken Sie sie in Ihr Ridikül. Aber spießen Sie vorher auf das spitze Ende einen Korken, damit Sie sich nicht stechen!« Fassungslos sah Miss Lutens Catherine an. Dann schlug sie die Hand vor den Mund und unterdrückte ein Lachen. »So ist es gut«, sagte Catherine. »Sehen Sie, selbst wenn Sie die Nadel nicht benutzen, werden Sie sich viel besser fühlen, weil Sie wissen, dass Sie sie dabeihaben. Verzweifeln Sie nicht. Sie sind jung und hübsch. Ihre Mutter wird bald so beschäftigt damit sein, Ihre Verehrer zu empfangen, dass sie keine Zeit mehr für den ekelhaften Sir Bartlemy haben wird.« Miss Lutens errötete und lachte noch einmal. »Viel besser«, erklärte Catherine. »Und jetzt sollten wir in den Ballsaal zurückkehren. Unsere Tanzpartner werden schon ungeduldig auf uns warten.«
»Vielen Dank für diesen Tanz«, sagte Lord Norwood steif, während er Catherine zu ihrer Tante zurückgeleitete. Er war ein wenig verärgert darüber, dass sie sich während des ganzen Kontertanzes ihm gegenüber so kühl gezeigt hatte. »Ich danke Ihnen, Mylord«, erwiderte Catherine ungerührt. »Ich tanze gerne Kontertänze, auch wenn man dabei mitunter außer Atem gerät.« Lord Norwood runzelte die Stirn: Miss Catherine Singleton wirkte nicht, als sei sie außer Atem. Er dagegen war ziemlich erhitzt und keuchte ein wenig. »Hmm, ja«, sagte er höflich. »Ach, da ist mein … da ist Mr. Devenish. Er erwartet Sie offenbar. Ich glaube, er steht als Nächster auf Ihrer Karte.« Er nickte Mr. Devenish knapp zu, verbeugte sich vor Catherine und eilte davon. Mr. Devenish hatte gehört, was Catherine gesagt hatte. »Vielleicht möchten Sie sich gerne ein wenig ausruhen, Miss Singleton?«
»Oh, wenn Sie das wünschen«, lispelte Catherine und fügte verständnisvoll hinzu: »Ich vergaß! Ältere Herren … äh, reifere Herren … mein armer Vater fand das Tanzen auch sehr mühselig – besonders wenn er Walzer tanzen musste –, so ein langer Tanz, nicht wahr, und so anstrengend.« Die ersten Takte des Wiener Walzers erklangen. Sie lächelte ihren Tanzpartner sonnig an. »Nun, suchen wir einen bequemen Stuhl für Sie, damit Sie Ihre armen Füße ausruhen können.« Mr. Devenish presste die Lippen aufeinander und sah sie eisig an, antwortete jedoch nicht. Dann legte er ihr den Arm energisch, beinahe schon grob um die Taille und begann sie so entschlossen und virtuos durch den Ballsaal zu wirbeln, dass ihr vor Vergnügen und Entzücken fast schwindlig wurde.
Catherine hatte schon öfter Walzer getanzt, doch erst jetzt wurde ihr klar, warum der Tanz als skandalös galt und es so lange gedauert hatte, bis er sich in der Gesellschaft durchgesetzt hatte. Denn wenn man
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