Das Geheimnis der schönen Catherine
hergefallen waren … natürlich hatte sie nicht gewusst, wer da auf diesem herrlichen Pferd saß. Ross und Reiter passten wirklich hervorragend zusammen. Merkwürdig, dass ich ihn so anziehend finde, grübelte sie. Schließlich war er nicht attraktiv im üblichen Sinn – sein Gesicht war viel zu kantig, beinahe hart. Und wie kühl er sie während des Tanzens gemustert hatte! Er hatte nicht den geringsten Versuch unternommen, ihr zu gefallen. Im Gegenteil – es hatte fast den Anschein, als hätte es ihn große Anstrengung gekostet, auch nur höflich zu ihr zu sein. Viele Männer in London waren sehr viel charmanter und sehr viel attraktiver. Warum nur fand sie deren Schmeicheleien weitaus weniger angenehm als seine herrischen Fragen? Als er eine ihm unbekannte Frau in Not sah, hatte er sich allerdings völlig anders verhalten. Er war zu ihrer Verteidigung geeilt und hatte sich nachher hilfsbereit und fürsorglich gegeben. Einer Fremden gegenüber. Warum ging er mit der mutmaßlichen Verlobten seines jungen Neffen brüsk und geschäftsmäßig um, während er sich einer Wildfremden gegenüber überraschend galant und, ja, fast schon aufdringlich freundlich zeigte? Sie seufzte. »Was machen Sie denn da, Miss Catherine?«
fragte Maggie verblüfft. Catherine zog gerade ein weißes Musselinkleid aus dem Schrank, musterte es eingehend und legte es beiseite. »Nein, das passt auch nicht«, murmelte sie, holte ein anderes weißes Gewand hervor, das um den Saum und die Ärmel herum blau bestickt war.
Einen Moment lang betrachtete sie das Kleid und legte es dann missmutig weg. »So etwas Fades! Fade, fade, fade! Warum habe ich nur lauter fades Zeug?« Maggie schnalzte ärgerlich mit der Zunge. »Nun hören Sie schon auf, Ihre Kleider so sorglos herumzuwerfen, Miss Catherine! Neue Sachen wachsen nicht auf Bäumen. Was ist denn bloß in Sie gefahren?«
»Die kann ich unmöglich anziehen. Unmöglich!« Verständnislos sah Maggie sie an. »Was soll das heißen? Hat jemand auf dem Ball gestern etwas über Ihre Garderobe gesagt? Verflixt! Diese verflixte Schneiderin … wusste ich’s doch, dass man der nicht trauen kann! Ihre Augen stehen viel zu nah beieinander! Und dabei hat sie geschworen, dass ihre Kleider genau richtig wären für eine Debütantin …«
»Ich bin aber keine Debütantin!« Verblüfft sah Maggie Catherine an.
»Was soll das heißen? Sie sind keine Debütantin?« Stirnrunzelnd kniff sie die Augen zusammen. »Was denn dann?« Catherine seufzte. »Die Erbin einer Diamantenmine.« Einen Moment war das gleichförmige Ticken der Standuhr im Gang das einzige Geräusch, das im Zimmer zu hören war. »Die Erbin einer Diamantenmine?« Catherine nickte. »Papa hat etwas in der Richtung an Rose geschrieben, und jetzt …«, sie zuckte mit den Schultern, »… jetzt weiß es ganz London.«
»Verflixt!« rief Maggie. Sie biss sich auf die Lippen. Dann brach es aus ihr heraus: »Das ist mal wieder typisch für Ihren Herrn Papa! Immer musste er alles unnötig kompliziert machen, der alte Lump!« Sie seufzte schwer. »Eine Diamantenerbin also?« Catherine nickte unglücklich. »Behaupten die Leute.«
»Verflixt!« Schweigend sahen sie noch einmal den Stapel einfacher weißer Kleider durch, der für eine junge Debütantin ausgewählt worden war. Die Kleider waren schlicht und wenig raffiniert; keineswegs das, was eine reiche oder exotische Erbin tragen würde. Maggie ließ sich in einen Sessel sinken. »Sie können es sich nicht leisten, sich neu einkleiden zu lassen. Ach, Miss Catherine, wie furchtbar!«
»Vielleicht würde gerade eine Diamantenerbin etwas Schlichtes bevorzugen?«
sagte Catherine langsam. »Meinst du nicht?« Die Kammerzofe schnaubte. »Na hoffentlich.
Schlichte Kleider sind schließlich das Einzige, was sich die Diamantenerbin Miss Catherine Singleton leisten kann.«
»Ja«, überlegte Catherine. »Protzerei gefällt mir gar nicht …«
»Na so ein Glück.« Maggie stand auf und begann, die Kleider auf zwei Haufen zu sortieren: einen für die junge Debütantin, einen mit Erbinnenpotenzial. »… und Diamanten trage ich natürlich auch nie. Oder andere Edelsteine.«
»Genau.« Maggie begann sich für die Sache zu erwärmen.
»Viel zu vulgär, solche Diamanten. Vor allem für eine Debütantin.«
»Ja. Papa hätte nie erlaubt, dass ich Diamanten trage, nicht mal winzige Diamantohrringe.«
»Klar, er hätte sie zur nächsten Kartenpartie getragen, bevor Sie das Wort Diamant auch nur hätten
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