Das Geheimnis der schönen Catherine
Anstrengung unternommen, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Andererseits gehörte Erfahrung dazu, auf diese Weise Katz und Maus zu spielen. Und eine clevere Kurtisane würde wissen, dass die meisten Männer lieber jagten, als selbst gejagt zu werden. Doch ob sie nun ehrbar war oder nicht, Hugos Interesse war geweckt. »Bitte bemühen Sie sich nicht«, sagte die Unbekannte schließlich leise. »Ich bin schon fast zu Hause. Nochmals danke für Ihre Unterstützung.« Noch immer sah sie ihn nicht an. Hugo lächelte. Dem Klang ihrer Stimme nach war die Fremde eine Dame. »Es war mir ein Vergnügen«, erklärte er galant. »Und ich werde eine junge Dame, die noch vor kurzem in so großer Gefahr schwebte, nicht einfach allein auf der Straße zurücklassen. Ich werde Sie bis zu Ihrer Haustür begleiten.« Wieder stöhnte sie, diesmal eindeutig verärgert. »Sie werden mich nirgendwohin begleiten! Ich bin kein bisschen aufgeregt. Ich hatte schon öfter mit Wegelagerern zu tun und habe schon sehr viel schlimmere Gefahren heil überstanden. Ich brauche Ihre Hilfe nicht. Und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich nicht länger behelligen würden!« Während sie sprach, sah er flüchtig ihr Profil. Und obwohl er sie nicht erkannte, war ihm, als hätte er sie schon einmal gesehen. »Sie hatten wirklich schon früher mit Wegelagerern zu tun?« fragte er und griff nach ihren Zügeln. »Ja«, gab sie bissig zurück. »Mit vierzehn Jahren in Jaipur. Und jetzt seien Sie bitte so freundlich und lassen Sie sofort mein Pferd los!« Da er keine Anstalten machte, ihrem Wunsch Folge zu leisten, holte sie mit der Reitgerte aus und schlug ihm damit zu seiner großen Überraschung aufs Handgelenk. Mit einem Aufschrei ließ er ihre Zügel fallen und musste zusehen, wie sie ungeachtet des Verkehrsgewühls davonpreschte. Hugo starrte auf den roten Striemen, der auf seinem Handgelenk brannte. Die Hand tat zwar nicht sehr weh, aber er konnte es nicht fassen, dass die Unbekannte ihn tatsächlich geschlagen hatte. Sie hatte ihn geschlagen! Sie hatte nach ihm geschlagen wie nach diesen Burschen im Park! Wenn ihn das nicht so sehr aus der Fassung gebracht hätte, hätte er gelacht. Denn als sie sich umgedreht hatte, um ihn zu schlagen, hatte er einen Moment ihr Gesicht hinter dem Schleier erblickt. Die Maid in Nöten war niemand anders als Miss Singleton gewesen, das Schulmädchen, mit dem man sich nicht unterhalten konnte – nun, zumindest in dieser Hinsicht hat sie sich nicht verändert, sinnierte er. Aber was tat ein junges Mädchen wie Miss Singleton ohne Begleitung frühmorgens im Park? In der Morgendämmerung? Und noch dazu nach einer anstrengenden Ballnacht? Und was brachte sie dazu, ein Reitkostüm zu tragen, das für eine Dienstbotin weitaus angemessener war als für eine junge Dame? Zumindest war klar, warum ihr die beiden Grobiane aufgelauert hatten. Das Ziel ihres Anschlags war die mutmaßliche Erbin einer Diamantenmine gewesen. Die Kerle hatten wohl gedacht, sie würde die Diamanten am Körper tragen. Oder vielleicht hatten sie ein Lösegeld erpressen wollen. Langsam ritt er weiter und legte die Stirn grübelnd in Falten, während er ohne große Mühe Wagen und Fußgängern auswich. Diese Räuber hatten ihr aufgelauert. Das hieß, dass die junge Dame nicht das erste Mal so früh am Morgen ausgeritten war. Ein merkwürdiges Benehmen war das für ein so junges Mädchen. Und auch für eine Erbin. Ob sie sich deswegen so schäbig kleidete? Um mögliche Räuber zu täuschen? Aber dann hätte sie doch sicher zumindest einen Stallburschen als Eskorte mitgenommen. Es war alles reichlich seltsam. Als er zu Hause ankam, ließ er warmes Wasser und das Frühstück kommen. Über einem Steak sitzend, ließ er sich den Vorfall noch einmal durch den Kopf gehen. Warum mietete eine reiche junge Frau ein schlechtes Pferd? Eine so gute Reiterin wie sie? Und Rose Singleton, die immer so auf Anstand und Sitte bedacht war – warum hatte sie nicht darauf bestanden, dass ihre Nichte von einem Stallburschen begleitet wurde? Was, wenn Miss Singleton wieder unter die Räuber fiel? Guter Gott! Plötzlich fiel ihm ein, dass sie gesagt hatte, sie hätte schon früher Anschläge erlebt. Mit vierzehn Jahren in Jaipur. Jaipur! Er war sich ziemlich sicher, dass Jaipur ein Königreich oder Sultanat irgendwo in Indien war.
Und wenn das stimmte … Indien war berühmt für seine Edelsteine. Vielleicht befand sich ihre angebliche Diamantenmine nicht in New South Wales,
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