Das Geheimnis der schönen Catherine
sie dem Tier die Fersen in die Flanken. »Ich meine es gut mit Ihnen«, rief Hugo, der davon ausging, dass sie in Panik war.
»Mein Name ist Devenish, Madam. Ich möchte mich nur davon überzeugen, dass Ihnen kein Leid zugefügt wurde.«
»Mir geht es ausgezeichnet, danke«, rief sie ihm zu. Hugo hatte sie inzwischen eingeholt. »Ich werde Sie sicher nach Hause bringen, und nichts, was Sie sagen, wird mich daran hindern«, erklärte er. Wieder sah er zu ihr hinüber. Ihr Kleid war schlicht, altmodisch und ein wenig abgenutzt, allerdings makellos sauber und gebügelt. Die Reiterin war schlank und klein. Ihr Gesicht hatte sie hinter einem Schleier verborgen, zweifellos, um ihren Teint zu schützen. Er schützte sie auch vor neugierigen Blicken. Aber sie ging kein Risiko ein und wandte auch noch das Gesicht ab. Hugo fand diese geheimnisvolle Aura ziemlich aufregend. Mit leisem Lächeln ritt er neben ihr her. Ob sie einen Ring trug, konnte er nicht sehen, denn sie hatte Handschuhe an. Sie umklammerte die Zügel fester als nötig, zu fest für eine so erfahrene und talentierte Reiterin. Als er genauer hinblickte, stellte er fest, dass ihre Hände ein wenig zu zittern schienen. Aha, dachte er, sie hat also doch Angst, auch wenn sie das nicht zeigen will. Ihre Haltung nötigte ihm Bewunderung ab. Die Frau hatte wirklich Mut! »Bitte fürchten Sie nicht, von mir belästigt zu werden«, sagte er weich. »Ich möchte nur sichergehen, dass Ihnen nichts mehr zustößt.« Sie verlangsamte ihr Tempo nicht eine Spur. Hugo war irritiert. Immerhin war er zu ihrer Rettung herbeigeeilt – er hätte sie gerettet, wenn sie sich nicht selbst befreit hätte. Dafür kann sie mir doch wenigstens danken, dachte er erbost und tadelte sich dann selbst für seine Ungehaltenheit: Sie hatte ihm ja gedankt, sehr höflich. Aber das war nicht genug. Er wollte sie gerne von Angesicht zu Angesicht sehen. Ja, er wollte unbedingt ihr Gesicht sehen. »Mein Name ist Devenish«, wiederholte er. »Und ich werde Sie nach Hause geleiten, Madam.« Sie gab ein ersticktes Geräusch von sich, antwortete aber nicht und sah ihn immer noch nicht an. Hugo trieb Sultan ein wenig mehr an und versuchte, einen Blick auf ihr Gesicht unter dem dünnen Schleier zu erhaschen. Doch sie brachte ihr Pferd dazu, ebenfalls ein wenig schneller zu werden, und wandte nach wie vor das Gesicht ab. Ihre Beharrlichkeit entlockte ihm ein schiefes Grinsen.
Spielte die Dame mit ihm? Oder war es ihr Ernst? Hatte er es nun mit einer tugendhaften Frau zu tun, die sich weigerte, mit einem ihr unbekannten Mann zu sprechen, oder hatte er eine Frau in Tändellaune vor sich, die ihn verführen wollte? Oder war ihr Gesicht entstellt? »Sie reiten hervorragend«, bemerkte er. Sie antwortete wieder nicht. Mittlerweile hatten sie den Ausgang erreicht und mussten angesichts des Verkehrs auf den Straßen das Tempo drosseln.
Jetzt müsste es einfacher werden, sich zu unterhalten, dachte Hugo. »Ich nehme an, Sie haben einen großen Teil Ihres Lebens im Sattel verbracht. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Dame gesehen zu haben, die so gut reitet wie Sie. Und ich fand es sehr beeindruckend, wie Sie den beiden Grobianen Paroli geboten haben.« Sie zuckte mit den Schultern. Ihr Gesicht hielt sie weiterhin abgewandt. »Was meinen Sie, was die Gauner vorhatten? Waren sie auf Ihr Geld aus? Was haben sie gesagt?« Schweigen. »Ich werde den Parkwächtern von diesem Zwischenfall berichten.« Sie schien zu zögern. Hugo fügte hinzu: »Natürlich erst, nachdem ich Sie heil nach Hause gebracht habe.« Ein Geräusch entrang sich ihrer Kehle. War sie verärgert? Resigniert? Hugo konnte sich das Lächeln kaum verkneifen. Er war wild entschlossen, das Antlitz der Dame zu sehen und ihre Stimme zu hören. Je eher ihr das klar wurde, desto besser. Sie war tapfer, halsstarrig und klug. Und vermutlich auch sehr attraktiv.
Zu seinem Erstaunen war er an dieser Frau sehr interessiert. Wahrscheinlich hatte er seine körperlichen Bedürfnisse einfach zu lange ignoriert. Er hätte sich längst eine neue Mätresse zulegen sollen. Zweifellos war dies auch der Grund dafür, dass er sich gestern von einem blutjungen Mädchen angezogen fühlte, das nicht einmal in der Lage war, Konversation zu machen, furchtbar lispelte und ihn wie einen greisen Achtzigjährigen behandelte. Neugierig blickte er auf die schweigsame Reiterin neben ihm. Sie benahm sich nicht wie eine Frau, die leicht zu haben war. Jedenfalls hatte sie keine
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