Das Geheimnis der schönen Catherine
Botschaft hat an Singletons Vater geschrieben, sie hätten ihn dort unten beerdigt. Aber das war natürlich lange bevor dieser Schurke Napoleon halb Europa besetzt hat. Er hätte durchaus eine Tochter haben können …« Zweifelnd wiegte er den Kopf. »Es ist lange her, aber ich erinnere mich gut an die Geschichte – die Singletons sind entfernt mit mir verwandt. Da hätte ich wohl davon gehört, wenn er eine Tochter gehabt hätte – eine legitime Tochter, meine ich. Um irgendwelchen außerehelichen Nachwuchs hätte sich die Familie natürlich nicht weiter gekümmert, vielleicht ein wenig Geld geschickt, aber sonst … Nein, ich habe nie davon gehört, dass Rose eine Nichte hat.« Hugo wusste nicht, was er denken sollte.
Er war sich sicher, dass Miss Singleton älter war, als sie sich gab, aber er bezweifelte, dass sie schon zwanzig Jahre alt war. Aber wenn Bancroft Recht hatte, musste sie mindestens einundzwanzig Jahre alt sein, um Singletons legitime Tochter sein zu können. Ein halb italienischer Bankert, der im Geheimen großgezogen worden war? Das konnte er sich nicht recht vorstellen. Die damenhafte Aura, die sie ausstrahlte, ließ sich nicht künstlich erzeugen.
Und in Italien war sie sicher nicht aufgewachsen: Ihr Englisch war akzentfrei. Außerdem bezweifelte er, dass eine Dame wie Rose Singleton den Mut aufbringen würde, einen Bastard als ihre Nichte in die Gesellschaft einzuführen. »Roses Bruder, Sir, was war das für ein Mensch?« Sir George Bancroft sah einen Augenblick lang peinlich berührt zu Boden, dann seufzte er. »Jim? Jim war ein netter, charmanter Kerl. Tragisch, dass er so jung gestorben ist.
Aber so ist das Leben, nicht wahr, Devenish? Es kommt nie so, wie man denkt. Aber jetzt muss ich zurück zu meinem Spiel. War nett, Sie mal wieder getroffen zu haben.« Er schritt zurück an den Spieltisch und ließ Hugo verwirrt zurück. Wenn James Singleton schon vor zwanzig Jahren gestorben war, warum hatte seine Tochter dann so getan, als wäre er erst vor kurzem verschieden? Und wenn er in Italien gestorben war, was hatte sie dann mit New South Wales zu tun?
Kapitel 5
Catherine genoss den Tanz. Der »Sir Roger de Coverley« war einer ihrer Lieblingstänze. Sie sah, dass Miss Lutens, die im nächsten Karree tanzte, sie besorgt beobachtete. Fröhlich zwinkerte Catherine ihr zu. »Passen Sie auf!« deutete sie ihr an, dann drehte sie sich wieder zu ihrem Tanzpartner um. Sir Bartlemy sonnte sich gerade in dem Gefühl, ein hübsches junges Mädchen könnte derart angetan von seiner männlichen Ausstrahlung sein, dass es seinetwegen einen so attraktiven jungen Galan wie Lord Norwood versetzte. Während er vor und zurück tänzelte, nutzte er die Gelegenheit, begehrlich in Catherines Ausschnitt zu blicken. Ihr Kleid war keineswegs modisch tief ausgeschnitten, aber unter Sir Bartlemys glühendem Blick wünschte Catherine, es wäre hoch geschlossen bis zum Kinn. Einfältig lächelte sie Sir Bartlemy an. Bislang hatte er jedes Wort, das er gesprochen hatte, an ihren Busen gerichtet. Das machte ihn ihr nicht sympathischer. Er hatte gierig geglotzt, kein Auge von ihren Brüsten gelassen, sie gequetscht und Catherine unter dem Vorwand weltläufigen Esprits grässliche Bemerkungen ins Ohr geflüstert. Sein Atem stank, seine Kleidung roch nach Schweiß und Parfüm, und er tanzte wie eine Marionette. Catherine, die sich weiter unbekümmert gab, sprang leichtfüßig nach vorne und ergriff seine schweißige Hand für das chassez. »Au«, rief Sir Bartlemy, als ihr Fuß gegen sein Schienbein trat. »Ach, entschuldigen Sie, Sir«, murmelte Catherine und sprang zurück. Ihr Partner tänzelte zurück. Als er ihr die Hand für die Kette bot, war er vorsichtiger. Er ließ ihre Füße nicht aus den Augen. »Autsch!«
Catherines zur Faust geballte Hand war gegen seine Wangenknochen geprallt. Und zwar sehr hart. »Ach, du liebe Güte. Es tut mir ja so Leid. Ich habe nicht richtig aufgepasst«, murmelte sie. »Dieser Tanz ist so schrecklich kompliziert, finden Sie nicht?« Sie drehte sich anmutig um die eigene Achse und machte dann einen Schritt zurück. Miss Lutens hatte alles beobachtet, und nun malten sich in ihrem Gesicht Entsetzen und Entzücken gleichermaßen. Catherine lächelte sie kurz an und ging die nächste Tanzfigur an. »Hölle und … autsch!« fluchte Sir Bartlemy, als Catherines kleiner Fuß mit erstaunlicher Wucht auf seinem Spann niederging.
»Wie ungeschickt von mir«, zwitscherte Catherine. »Sie
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