Das Geheimnis der schönen Catherine
leicht auf die rosige Wange. Maggie schob ihren Schützling von sich fort. »Hören Sie bloß auf, Miss Frechdachs! Ich wünschte, Sie würden den Wunsch Ihres Vaters einfach vergessen. Natürlich weiß ich, dass es sinnlos ist, Sie nach so vielen Jahren immer noch belehren zu wollen – starrsinnig, wie Sie nun mal sind. Aber denken Sie immer daran, dass Leute hier für solche Dinge gehängt werden. Oder deportiert.«
»Ja, und in China hacken sie einem für alle möglichen Verbrechen Kopf und Hände ab. Aber ich bin noch gesund und munter, wie man sieht«, erwiderte Catherine und wirbelte wie zum Beweis fröhlich einmal um die eigene Achse. »Mach dir keine Sorgen«, fügte sie in ernsterem Tonfall hinzu. »Es ist doch nur ein kleines Versprechen und überhaupt nicht gefährlich.« Maggie schnaubte. »Machen Sie mir doch nichts vor! Ihr Vater, Gott hab ihn selig, war von Natur aus verantwortungslos und hat sich nie Sorgen um Ihr Wohlergehen gemacht. Warum nur müssen Sie jetzt, wo er tot ist, schon wieder einen seiner unsinnigen Pläne in die Tat umsetzen?«
»Familienehre ist kein Unsinn«, erwiderte Catherine ernst. »Und außerdem«, fügte sie hastig hinzu, weil sie fast vergessen hatte, dass sie Maggie mit diesen Dingen ja verschonen wollte, »weiß ich gar nicht, wovon du redest. Ich bereite mich lediglich auf einen Ball vor. Nun …«
»Sie würden niemals ein Versprechen brechen, nicht wahr? Und das hat dieser verfluchte Kerl ganz genau gewusst!« fügte Maggie leiser hinzu. »Nun, ich werde nicht mehr darauf zu sprechen kommen, es ist sinnlos. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.«
»Zweifellos.
Aber wenn wir uns jetzt nicht beeilen, werde ich zu spät kommen. Wo ist denn das Schultertuch? Das aus bestickter Gaze? Ich glaube, es passt wunderbar zu diesem Kleid.«
Maggie brachte den gewünschten Schal und drapierte ihn um die Schultern ihrer Herrin. Sie trat einen Schritt zurück und musterte Catherine kritisch. Dann seufzte sie. »Wunderbar. Sie sehen wirklich bezaubernd aus. Ich wünschte nur, Sie wollten etwas anderes als Weiß tragen.
Das betont Ihren dunklen Teint noch zusätzlich.« Catherine lachte. »Ach, Unsinn. Ich bin doch gar nicht mehr so braun gebrannt – ich sehe fast schon kränklich aus, so weiß bin ich.
Sei lieber froh, dass meine Haut nicht mehr so grässlich trocken und schuppig ist wie nach unserer Ankunft. Und mein Kleid muss weiß sein, liebe Maggie. Schließlich trete ich als junges Mädchen frisch aus dem Schulzimmer an, da muss ich mich weiß kleiden.« Sie tat einen Schritt nach vorn, um ihr Gesicht in dem großen Pilasterspiegel zu studieren, der neben der Tür stand. »Ich sehe doch wie ein junges Mädchen aus, oder, Maggie? Man sieht mir nicht an, dass ich schon zwanzig bin?«
»Nein, Miss. Es heißt zwar immer, dass die Menschen in den Tropen schneller altern, aber Sie sehen aus, als wären Sie gerade sechzehn geworden – und noch jünger, wenn Sie lächeln.«
»Gut«, sagte ihre Herrin energisch. »Ich werde also so oft wie möglich lächeln. Und jetzt reich mir bitte mein Ridikül, sonst wird meine neue Tante noch länger warten müssen.« Mit dem kleinen Beutel in der Hand eilte Catherine die Treppe hinunter. Rose Singleton wartete in der Eingangshalle schon auf sie. »Ach, da bist du ja, meine Liebe«, meinte sie und schritt mit Catherine zur Eingangstür. »Ich hoffe, dein Tuch ist wärmer, als es wirkt. Zum Abend hin ist es recht kühl geworden, und dieses Mausoleum, das die gute Fanny Parsons bewohnt, ist so kalt wie ein Grab. Sie heizt einfach nie ordentlich ein.
Dafür ist wahrscheinlich ihr Mann verantwortlich«, fügte sie nachdenklich hinzu. »Die Parsons waren schon immer als geizig verschrien, aber er ist der Schlimmste von allen. Ich habe vorsorglich Trikothosen angezogen, aber ich bin mir sicher, dass ich mich trotzdem erkälten werde.« Sie schauderte und kuschelte sich in ihre pelzverbrämte enveloppe. Die ältere Miss Singleton war eine schlanke, fast schon ätherisch wirkende Frau, die auf ihre blasse Art recht hübsch wirkte – ganz anders als die auffälligen Schönheiten, die Catherines Vater sonst bevorzugt hatte. Wegen Roses empfindlicher Gesundheit baumelten zudem stets irgendwelche Tücher und Schals an ihr herunter, was ihrem Aussehen eine altmodische Note gab. Trotzdem hatte Rose Singleton etwas Aristokratisches an sich, etwas, das sie eindeutig als Mitglied der feinen Gesellschaft kennzeichnete und das auch der
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