Das Geheimnis der schönen Catherine
das Licht der Gaslampen hatte die Sicht auf das wenige behindert, was noch zu sehen gewesen war. Verärgert marschierte er zur Vordertür, zupfte seinen Mantel zurecht und griff nach dem Klopfer. »Was für ein furchtbarer Abend! Die Kälte hier hatte ich ganz vergessen.«
Catherine, die dabei war, sich für den Ball fertig zu machen, warf ihrer Kammerzofe, die missmutig durch das Fenster nach draußen blickte, einen erstaunten Blick zu. »Regen, die ganze Zeit Nieselregen – und wenn er dann endlich aufhört, der Regen, was passiert? Es ist kalt und neblig. Wie hab ich das nur ausgehalten, als ich jung war?« Catherine verkniff sich ein Lächeln. »Reg dich nicht auf, Maggie, wir werden ja nicht lange hier bleiben. Das weißt du doch.« Die Kammerzofe schnaubte. »Junge Dame, mich täuschen Sie nicht. Sie haben sich immer ein Heim gewünscht, das Sie Ihr eigen nennen können, und jetzt, wo wir endlich in England sind …«
»Maggie«, unterbrach Catherine sie, »ich fühle mich hier nicht zu Hause. Ich gehöre nicht hierher. Ich bin nicht mal in England geboren …«
»Was soll das heißen, Sie fühlen sich hier nicht zu Hause? Natürlich sind Sie hier daheim! Sie sind eine Engländerin.«
»Nein, das bin ich nicht. Ich werde immer überall fremd sein. Ich kenne hier keine Menschenseele, bin mit niemandem verwandtschaftlich verbunden …«
»Unsinn! Was ist mit Ihrer Tante? Miss Singleton ist doch …« Catherine blinzelte verwirrt. »Sag nicht, dass du …« Fragend zog Maggie die Augenbrauen hoch: »Was?« Die junge Frau lächelte schwach. »Sie ist nicht meine Tante, Maggie. Papa hatte keine lebenden Verwandten. Miss Singleton ist oder war zumindest – nehme ich an – eine von Papas Freundinnen. Hast du nicht schon Dutzende anderer angeblicher Tanten kennen gelernt?«
Maggie schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Miss Singleton ist nicht … nicht der Typ dafür. Ihr Vater war immer mehr an … an …«
»Glamouröseren Frauen interessiert? Ja, aber es ist auch schon mehr als zwanzig Jahre her, dass er seine Rose zuletzt gesehen hat. In zwanzig Jahren verändert sich viel. Und Miss Singleton wirkt immer noch, als wäre sie in ihrer Jugend eine echte Schönheit gewesen.« Versonnen streifte Catherine ihr Tageskleid ab. »Wir wollen nicht länger über Ihren Vater und seine … seine Freundinnen sprechen. Sein Verhalten war skandalös!« Die Kammerzofe nahm ein weißes Kleid aus dünnem Baumwollmusselin aus dem Schrank. »Kommen Sie, Miss, schlüpfen Sie da rein.«
Sie half Catherine in das fast bodenlange Ballkleid und knöpfte das eng anliegende, tief ausgeschnittene Leibchen im Rücken zu. »Drehen Sie sich bitte, Miss«, meinte sie dann und strich den Rock glatt. Als sie Catherines erhitzte Wangen und leuchtende Augen sah, wurde ihr Gesichtsausdruck weicher. »Das alles macht Ihnen ziemlich Spaß, stimmt’s, Miss?«
Catherine errötete. »Ja, und wie! Ich hätte nie gedacht, dass ich es so genießen könnte, ein junges Mädchen zu sein. Ich muss mir über nichts Gedanken machen, außer darüber, was ich anziehen und mit wem ich tanzen werde. Miss Singleton ist so nett. Noch nie habe ich eine so gütige Dame getroffen …« Sie seufzte, schüttelte den Kopf und streifte rasch ihre Handschuhe über. »Ja. Es macht mir wirklich großen Spaß, hier zu sein.« Prüfend musterte Maggie sie.
»Meinen Sie nicht, Sie könnten die Gelegenheit nutzen, um sich einen Ehemann zu suchen, Miss?« Catherine schüttelte den Kopf. »Deswegen bin ich nicht hergekommen.«
»Ja, aber …«
»Nein! Ich bin unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hier – wie könnte ich da einen Mann ermutigen, um mich anzuhalten? Es ginge ja noch an, dass ein Mann um die verarmte Nichte von Miss Singleton wirbt – obwohl Geld hier eine solch große Rolle spielt, dass ich mir auch das kaum vorstellen kann. Aber um die Hand einer mittellosen Abenteuerin anzuhalten, welche die Tochter von Miss Singletons früherem …« Sie hielt inne. »Du weißt, was ich meine. Jeder Mann, dem ich meine wahre Identität enthüllen würde, würde mir statt eines Eherings eine carte blanche anbieten, und die würde ich nie akzeptieren.«
»Das will ich meinen!« Catherine schmunzelte belustigt. »Ach Maggie, deine prüde Art hat wohl auf mich abgefärbt.« Sie sah den empörten Blick, den Maggie ihr zuwarf. »Nun ja, ein bisschen.
Schließlich bin ich auch noch die Tochter meines Vaters.« Sie küsste ihre Kammerzofe
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