Das Geheimnis der schönen Catherine
verbeugte sich anmutig und gab sie ihr mit den Worten zurück: »Miss Singleton, dass ich meinen Namen auf diese Karte schreiben durfte, ist mehr, als ich verdient oder zu hoffen gewagt hätte.« Catherine lächelte süß. »Wollen Sie damit sagen, dass wir nun, da Ihr Name auf meiner Karte steht, auf den Tanz selbst verzichten können?« Er blinzelte verwirrt und lachte dann nachsichtig. »Welch reizender Esprit. Ich freue mich schon sehr auf unseren Tanz.«
»Haben Sie ein Glück«, wisperte das Mädchen neben Catherine und blickte ihm nach. »Er ist ein Bild von einem Mann.«
»Hmm, ja«, gab Catherine zu. »Das ist er.«
»Und so elegant!«
»Meinen Sie?«
»Ob er wohl in Sie verliebt ist?« meinte die Debütantin verträumt. »Nein«, erwiderte Catherine nachdenklich. »Das wohl nicht.« Sie runzelte die Stirn, als sie sah, wie Lord Norwood in einem Nebenzimmer verschwand. Es war eines der Zimmer, in denen um Geld gespielt wurde. »Aber er …«, fing das Mädchen an.
Catherine lächelte. »Ach, nein, ich möchte nicht vorschnell urteilen. Ich bin natürlich sehr glücklich, mit ihm tanzen zu können. Und nun sagen Sie, woher haben Sie dieses wunderhübsche Ridikül?« Mit diesen Worten wandte sich das Gespräch der beiden der Mode im Allgemeinen und den Londoner Modegeschäften im Besonderen zu. Wie sich herausstellte, hatte die junge Dame mit ihrer Mutter im Pantheon-Basar nach Stoffen für ihr Ballkleid gesucht. Während sie sich voll Begeisterung in einer Schilderung der Herrlichkeiten erging, die sie in diesem wunderbaren Laden gesehen hatte, schweiften Catherines Gedanken ab. Lord Norwood war nicht der Einzige, der ihr überraschend viel Aufmerksamkeit schenkte.
Dass sie derart von allen Seiten umworben wurde, beunruhigte Catherine. Als schön hätte sie sich nicht bezeichnet, und es gab andere Debütantinnen, die sehr viel attraktiver waren als sie selbst und im Gegensatz zu ihr den ersten Kreisen entstammten. Und dennoch standen diese Mädchen nicht wie sie im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Catherine hatte gehofft, sich in der Gesellschaft unauffällig bewegen zu können. Dass sie unbeachtet blieb, war für den Erfolg ihres Plans unbedingt erforderlich. Daher hatte sie bislang die Rolle des schüchternen, ein wenig faden und farblosen Schulmädchens gespielt und versucht, sich bei Gesellschaften im Hintergrund zu halten. Und dennoch war sie bald nach ihrer Ankunft in London eifrig umworben worden. Junge Männer hatten sie überraschenderweise zu Ausflügen im Wagen eingeladen, ihr Blumen geschickt und sie zum Tanz geführt. Auch die Damen waren ungewöhnlich freundlich gewesen, hatten sie zu Abendgesellschaften, musikalischen Nachmittagen und zu Spaziergängen im Park eingeladen, zu Bällen, Gartenfesten und Landbesuchen aufgefordert, kurz, zu allem, was das Leben der feinen Gesellschaft ausmachte.
Ob Englands ton sich wohl durch seine Offenheit und Toleranz Fremden gegenüber besonders auszeichnete? »Oh, Miss Singleton, ist das nicht der eleganteste Mann, den Sie je gesehen haben?« Catherine blickte in die Richtung, die ihre junge Bekannte mit einem leichten Kopfnicken andeutete. Eine Gruppe von Leuten stand am Eingang zum Ballsaal und tauschte Begrüßungsworte aus. Einer der Herren hob sich deutlich von seiner Umgebung ab, ein großer, dunkelhaariger Mann in modischer Abendkleidung. Elegant mag er sein, dachte Catherine, aber … Er wirkte hart. Nüchtern. Ernst und distanziert. Ein wenig auf der Hut vielleicht und sich seiner eigenen Kraft doch bewusst. Während sie ihn mit angehaltenem Atem musterte, ließ er den Blick durch den Ballsaal schweifen. Schon seine Körperhaltung verriet, wie gleichgültig ihm die versammelte Gesellschaft war. Er sah mehr wie ein Eindringling als wie ein Gast aus. Und er wirkte hier ebenso deplatziert, wie Catherine sich fühlte. Sein schwarzes Haar war fast schon brutal kurz gehalten. Ob er sich dem Modediktat verweigert, grübelte Catherine, oder ob das bloß sein persönlicher Stil ist? Sie fragte sich, wer er war. Er passte einfach nicht ins Bild. Eine Frau eilte zu ihm, um ihn zu begrüßen. Catherine erkannte in ihr ihre Gastgeberin, Lady Parsons. Der Fremde beugte sich über ihre Hand. Man merkte ihm an, dass er sich nicht oft vor jemandem verbeugte – die Geste wirkte galant, aber ein gewisses Zögern war zu bemerken. Lady Parsons strahlte und schäkerte mit ihrem Gast, der darauf nicht einzugehen schien. Catherine fragte sich, worüber
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