Das Geheimnis Der Schönen Toten
den Vater Abt sprechen«, sagte Sulien direkt.
»Das habe ich angenommen«, erwiderte Cadfael.
»Möchtet Ihr mitkommen?«
»Ist das nötig? Ich bin sicher, daß das, was Ihr zu sagen habt, nur Euch und Euren Superior etwas angeht, aber ich glaube nicht«, gestand Cadfael, »daß es ihn überraschen wird.«
»Da ist noch etwas, was ich ihm sagen möchte«, sagte Sulien ohne jedes Lächeln. »Ihr wart dabei, als ich zum ersten Mal herkam, und Ihr wart auch der Bote, den er mit meinen Neuigkeiten zu dem Herrn Sheriff geschickt hat.
Ich weiß von meinem Bruder, daß Ihr jederzeit Zugang zu Hugh Beringar habt, und ich weiß jetzt, was ich zuvor nicht gewußt habe. Ich weiß inzwischen, was beim Beginn des Pflügens geschehen ist, ich weiß, was auf dem Töpferacker gefunden wurde. Ich weiß, was jeder denkt und sagt, aber ich weiß auch, daß es nicht wahr sein kann. Kommt mit mir zu Abt Radulfus. Ich möchte Euch immer noch gern als Zeugen dabei haben. Und ich glaube, daß er vielleicht auch dieses Mal einen Boten brauchen wird.«
Sein Verhalten war so dringlich und seine Forderung so gebieterisch, daß Cadfael für den Moment achselzuckend darauf verzichtete, weitere Fragen zu stellen. »Nun gut, wie Ihr wollt. Kommt mit!«
Sie wurden unverzüglich beim Abt vorgelassen. Radulfus hatte ohne Zweifel erwartet, daß Sulien gleich nach der Messe um eine Audienz bitten würde. Wenn es ihn überraschte, daß der Junge einen Paten mitgebracht hatte, entweder als Anwalt, um seine Entscheidung zu verteidigen, oder nur aus Pflichtgefühl, da Cadfael der Mentor war, dem er während seiner Prüfungszeit zugeteilt gewesen war, ließ er es sich nicht anmerken.
»Nun, mein Sohn? Ich hoffe, du hast auf Longner alles wohlauf gefunden? Hat es dir geholfen, deinen Weg zu finden?«
»Ja, Vater.« Sulien stand ein wenig steif vor ihm. Der starre Blick wirkte in seinem blassen Gesicht sehr hell und feierlich. »Ich komme, dich um Erlaubnis zu bitten, den Orden zu verlassen und in die Welt zurückzukehren.«
»Das ist deine wohlüberlegte Entscheidung?« fragte der Abt mit dem gleichen milden Tonfall. »Diesmal zweifelst du nicht?«
»Es gibt keinen Zweifel, Vater. Ich war fehlgeleitet, als ich um Aufnahme bat. Das weiß ich jetzt. Ich habe bestimmten Pflichten den Rücken gekehrt, um meinen Seelenfrieden zu finden. Ihr sagtet, Vater, dies müsse meine eigene Entscheidung sein.«
»Das sage ich immer noch«, entgegnete der Abt. »Du wirst von mir kein Wort des Vorwurfs hören. Du bist noch jung, aber ein gutes Jahr älter als damals, als du im Kloster Zuflucht suchtest, und ich denke, du bist auch weiser geworden. Es ist weit besser, auf einem anderen Feld von ganzem Herzen zu dienen, als halbherzig und zweifelnd im Orden zu bleiben. Wie ich sehe, hast du den Habit noch nicht abgelegt«, sagte er mit einem Lächeln.
»Nein, Vater!« Suliens steife junge Würde zeigte sich ein wenig gekränkt über diese Andeutung. »Wie könnte ich, bevor ich Eure Erlaubnis habe? Bevor Ihr mich entlaßt, bin ich nicht frei.«
»Ich entlasse dich. Ich hätte mich gefreut, wenn du beschlossen hättest zu bleiben, aber ich glaube, daß es für dich so besser ist, und vielleicht wird sich die Welt über dich freuen. Geh. Du hast meine Erlaubnis und meinen Segen.
Diene dort, wo dein Herz ist.«
Er hatte sich, wenn auch ohne jedes Zeichen der Eile oder als wollte er den jungen Mann damit entlassen, leicht seinem Schreibtisch zugewandt, wo alltäglichere Dinge seine Aufmerksamkeit erforderten, denn er dachte, die Audienz sei beendet; doch Sulien blieb stehen, und die Intensität seines Blicks ließ den Abt in seiner Bewegung innehalten und erneut, und diesmal etwas schärfer, den Sohn ansehen, den er gerade freigegeben hatte.
»Gibt es noch etwas, worum du uns bitten möchtest?
Unsere Gebete werden dich gewiß begleiten.«
»Vater«, sagte Sulien. Die alte Anrede kam ihm ganz natürlich über die Lippen. »Jetzt, wo mein eigener Kummer beendet ist, entdecke ich, daß ich zufällig in ein Gewebe von Kümmernissen anderer Menschen verstrickt bin. Auf Longner hat mir mein Bruder erzählt, was mir hier zufällig oder mit Absicht verschwiegen worden ist. Ich habe erfahren, daß beim Beginn des Pflügens auf dem Feld, das mein Vater letztes Jahr der Abtei von Haughmond schenkte und das Haughmond vor zwei Monaten mit diesem Haus gegen besser gelegenes Land getauscht hat, daß das Kolter dabei eine Frauenleiche zutage förderte, die dort schon einige Zeit
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