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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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sagen kann. Vielleicht redet meine Mom deshalb nie über meinen Dad. Manchmal tut die Scheiße einfach weh, so ist das eben.
    Sie gab ein leises Geräusch von sich, als ich sie berührte, so als würde ein Reifen Luft verlieren, und ich sah, dass sie jetzt nicht mehr in den Himmel starrte, sondern mich ansah. Sie sagte: »Danke, ich hatte gehofft, du würdest das tun.«
    »Und? Was ist mit dir?«, fragte sie später. »Was ist die Geschichte deines Lebens?« Ich weiß, dass sie es früher oder später sowieso zu hören kriegt, deshalb hab ich versucht, es ihr zu sagen, aber ich konnte es nicht. Als ich ihr in die Augen blickte, sah ich, wie sehr sie mich mochte, und das wollte ich nicht kaputtmachen. Also hab ich ihr andere Sachen erzählt. Zum Beispiel, dass Brian und Erik Junior mich ständig nerven und ich manchmal die Beherrschung verliere, weswegen ich ein paarmal wegen Prügeleien vom Unterricht ausgeschlossen wurde. Ich hab ihr sogar erzählt, dass ich manchmal mit dem Streit angefangen habe.
    Ich rechnete damit, dass sie genau wie die anderen fragen würde: Was hast du dir bloß dabei gedacht? Als wäre ich ein Idiot. Aber keiner weiß, wie ich mich fühle, wenn Brian mich Indie nennt. Es ist genau wie damals, als ich mal auf Renegade ritt und wir um eine Ecke bogen und einen Puma sahen. Renegade scheute und stieg so schnell, dass ich Glück hatte, nicht runterzufallen. Genau das passiert, wenn mir Scheiß an den Kopf geworfen wird: Ich scheue. Aber ich weiche nicht zurück, sondern kämpfe.
    Also wartete ich, dass Cissy etwas sagen würde. Ich will nicht, dass sie mich für einen Schisser oder einen Schläger hält. Ich machte mir solche Sorgen, dass ich kaum hörte, als sie sagte: »Ich weiß, wie du dich fühlst.«
    »Das Schlimmste ist«, sagte sie, »immer so zu tun, als würde es einem nichts ausmachen.«
    Da hab ich sie geküsst. Ohne lange nachzudenken. Ich sah einfach, dass sie anfing zu lächeln, und da wusste ich, wie sie sich fühlt und wie ich mich fühle, und ich küsste sie.
    Natürlich kam genau in diesem Moment meine Mom angefahren. Cissy und ich mussten lachen und packten sofort alle Sachen zusammen – ohne dass Mom was davon mitbekam. Sie hupte, als ich mit Cissy auf der Terrasse war. Fast hätte ich gesagt: »Ich liebe dich«, aber weil ich wusste, sie würde mich auslachen, sagte ich einfach: »Bis dann « , und sie wiederholte: »Bis dann. «
    Aber als ich schon fast am Wagen war, hörte ich, wie sie meinen Namen flüsterte, und drehte mich um.
    »Treffen wir uns morgen«, sagte sie.
    »Wo?«
    Meine Mom saß im Wagen und winkte mir zu, als hätten wir uns seit einem Jahr nicht mehr gesehen.
    »Im Park«, sagte Cissy leise. »Nach dem Mittagessen.«
    Es war ganz gut, dass ich mich im Wagen anschnallen musste, denn ich fühlte mich, als könnte ich jeden Moment wegfliegen.
    »Du siehst glücklich aus«, stellte meine Mom fest, als sie auf den Highway bog.
    Ich schätze, das bin ich auch.
    Winona konnte nicht schlafen. Sie machte Licht, schlüpfte in ihren Lieblingsbademantel aus rosafarbenem Frottee und ging in die Küche.
    Da nichts im Kühlschrank sie ansprach, kochte sie sich eine Tasse Kräutertee und ging damit hinaus. Sie lehnte sich ans Geländer der Veranda und starrte auf das tintenschwarze Wasser. Über den unsichtbaren Bergen hing der Sichelmond und verströmte kaum Licht. Trotz all ihrer Jahre hier hatte sie vergessen, wie dunkel es am Ufer und zwischen den Bäumen sein konnte. Ohne das leise Rauschen des Wassers am Strand wäre es vollkommen still gewesen.
    In der Stille und Dunkelheit fühlte sie sich noch einsamer als sonst. In ihrem Haus in der First Street ging sie oft abends auf die Terrasse. Dort konnte sie von ihrem Rattansofa aus zum Canal House Bed & Breakfast und dem Strandparkplatz sehen. Selbst an einem eiskalten Abend mitten im Winter gab es Licht und Bewegung, und sie war, wenn auch nur von ferne, ein Teil davon.
    Aber hier war nichts. Nur unsichtbare Berge, schwarzes Wasser und unerreichbar ferne Sterne.
    »Hey, Winona.«
    Sie drehte sich um, um zu sehen, wer zu ihr gesprochen hatte, aber sie erkannte die Gestalt erst, als sie auf ihre Holzterrasse trat. »Mark«, sagte sie, wusste dann aber nicht weiter.
    »Ich hab durch die Bäume Licht bei dir gesehen.«
    »Ich konnte nicht schlafen.«
    Er kam näher und trat schließlich in den Lichtkegel, der vom Küchenfenster nach draußen drang. »Ich auch nicht.«
    Jetzt sah sie, wie zerzaust und elend er aussah. So

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