Das Geheimnis der Schwestern
Möchtegernpfadfinderin.«
Aurora lächelte. »Dann geh mit ihr ins Outlaw. So bringt ihr’s hinter euch.«
»Genau«, sagte Winona scharf. »Ihr bringt die Leute am besten zum Schweigen, wenn ihr ihnen zeigt, wie glücklich ihr seid.«
Dallas starrte Winona an. »Du wirkst aber nicht allzu glücklich, Winona. Ich schätze, das Gerede über Vivi kommt dir ganz gelegen.«
»Weil du mich so gut kennst, meinst du?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Vivi Ann. »Luke könnte doch da sein.«
Dallas legte den Arm um sie. »Wenn du nicht willst, müssen wir nicht hin.«
Winona war überrascht, wie sanft seine Stimme klang. Kein Wunder, dass er ihre Schwester herumgekriegt hatte. Außerdem sah Vivi Ann in jedem nur das Beste.
»Du kannst ihm doch nicht für immer aus dem Weg gehen«, widersprach Aurora.
Am Ende nickte Vivi Ann. »Wartet kurz«, bat sie und nahm Dallas’ Hand. Als sie im Schlafzimmer verschwanden, bemerkte Winona: »Wenn ich den geringsten Hinweis auf Sex höre, hau ich ab.«
»Typisch«, sagte Aurora lachend.
Eine Viertelstunde später fuhren die Grey-Schwestern und Dallas vor dem Outlaw vor.
Nacheinander gingen sie hinein. Als Dallas – als Letzter – eintrat, wurde es bemerkenswert still. Gespräche stockten, Gläser verharrten auf halbem Wege, Leute blickten sich um. Selbst der Schlagzeuger hielt kurz inne.
Winona bemerkte, dass ihre Freunde Vivi Ann und Dallas nicht aus den Augen ließen. Sie gingen zusammen zur Bar und bestellten etwas zu trinken. Als sie ihre Getränke hatten, drehten sich alle vier gleichzeitig um und stellten sich der Menge. Im Hintergrund spielte die Jukebox »The Dance«.
Der Erste, der sich ihnen näherte, war Luke.
»Da kommt er«, murmelte Aurora. »Exverlobter auf ein Uhr.«
»Er weiß eben, was sich gehört«, bemerkte Winona und zwang sich, ihm nicht entgegenzugehen.
Dallas rückte näher zu Vivi Ann und nahm ihre Hand.
»Hey, Vivi«, begann Luke.
Jetzt wurde es vollkommen still in der Bar. Das einzige Geräusch kam vom Billardtisch im hinteren Bereich, wo gerade eine Kugel gegen eine andere stieß.
»Ich habe gehört, du hast geheiratet«, sagte Luke hölzern. »Gratuliere.«
»Ich hätte ehrlich zu dir sein sollen«, gab Vivi Ann zu.
»Das hätte ich mir gewünscht.«
Winona nahm jede Einzelheit in seinem Gesicht wahr: wie er die Augen schloss, bevor er zu sprechen anfing; wie um seinen Mund kleine Falten erschienen. Sie erwartete, dass er noch etwas sagen würde, etwas Bissiges, Strafendes – was Vivi Ann für ihr Verhalten verdient hatte –, doch je länger sie ihn anstarrte, desto deutlicher erkannte sie: Luke war nicht wütend auf Vivi Ann.
Er liebte sie immer noch. Nach all dem, was sie ihm angetan hatte.
»Es tut mir aufrichtig leid«, sagte Vivi Ann.
Ihre Schwester redete immer weiter, gab eine belanglose Phrase nach der anderen von sich, während alle zuhörten, lächelten und Verständnis zeigten. In Winona fing es an zu dröhnen, immer lauter, bis sie schließlich nur noch das Hämmern ihres eigenen Herzens hörte. Sie war so tief in ihre eigenen Gedanken, in ihre bittere Enttäuschung versunken (was war mit Karma, was war mit Buße für die Sünden?), dass sie das Ende der Szene kaum mitbekam.
Irgendwann ertönte wieder Musik, und Leute strebten zur Tanzfläche.
Sie blinzelte und sah sich nach Luke um.
Dallas beobachtete sie, und etwas in seinen unheimlichen hellgrauen Augen machte sie nervös. Er ließ Vivi Anns Hand los und ging auf sie zu. Winona bemerkte, wie lässig und sexy sein Gang war, und erkannte auch, was er damit bezweckte. Aber das würde bei ihr nicht ziehen.
»Armer Luke«, sagte Dallas so sanft, dass ihre Unruhe stieg. »Ich wette, er braucht jemanden, bei dem er sich ausheulen kann.«
»Du weißt doch gar nicht, wovon du sprichst.«
»Ich weiß aber, was mit dir los ist«, antwortete er und lächelte.
Er ist gefährlich , dachte Winona. Und Vivi Ann hatte ihn in ihre Familie gebracht. Also hatte Winona richtig gehandelt, als sie Vivi Ann vor diesem Mann zu schützen versucht hatte. »Ich warne dich: Tu ihr nicht weh«, sagte sie. »Ich behalte dich im Auge.«
»Sie mag vergessen haben, was du getan hast, Winona, aber ich nicht. Du hast sie schlicht und einfach verraten. Also vergiss nicht: Ich behalte dich im Auge. Sie mag dir verzeihen. Ich nicht.«
Winona saß in ihrem Wagen, der vor der Polizeiwache stand.
Sie sollte nicht hineingehen, das wusste sie. Manche Dinge blieben besser im Dunkeln.
Wäre
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