Das Geheimnis der sieben Palmen
viel mehr! Ziegen und Kühe halten Sie. Sogar die wilden Schweine haben Sie gezähmt. Im Gemüsegarten erscheinen die ersten Pflänzchen …« Er schielte auf Evelyns Pistole und wies mit dem dicken Daumen auf sie. »Sagen Sie Ihrem Liebchen, sie soll aufhören, mit dem Knallpuffer zu spielen! Zu Ihrer Beruhigung, Phil: Ich hatte nichts mit Ev. Ich bin nicht ihr Typ. Sie liebt die Schlanken. Und die Schöngeister. Vor meinem Gewicht hat sie Angst. Aber fragen Sie das Schätzchen mal nach James, den Sie erschossen haben! James McLaudon. Ein Ire, wie er im Buche steht …«
»So etwas Ähnliches habe ich mir gedacht, als ich ihn begrub«, sagte Phil ruhig. »Kommen Sie, Ari!« Er senkte das Gewehr, aber Evelyn blieb stehen. Ihr Finger krümmte sich wieder am Abzug der Pistole.
»Halten Sie das Weibstück zurück, Phil!« schrie Sempa. »Man soll es nicht für möglich halten! Erst tobt sie und schwört heilige Rache dem Mörder von James – und jetzt ist sie Ihr sanftes Ruhekissen und wird nervös im Zeigefinger.« Er ging weiter, an Evelyn vorbei, und schlug den Weg zum Lavarücken ein. »Schieß mir in den Rücken!« sagte er dabei. »Der Satan soll mich holen: Du hast keine ruhige Minute mehr! Denkst du, ein Mann wie Phil legt sich weiterhin mit einer Frau ins Bett, die hinterrücks Männer erschießen kann? Meinst du vielleicht, er würde dir noch ein Wort glauben, solange er nicht von mir erfahren hat, was hier wirklich los ist? Schieß doch, Hexchen! Der Karren steckt im Dreck – und nur wir drei zusammen können ihn herausziehen.«
Am Fuße des Lavarückens blieb er stehen und wartete, bis Evelyn und Phil nachgekommen waren. Sie gingen schweigend nebeneinander, die Waffen gesenkt, blickten sich auch nicht an. Sempa lachte rauh und massierte seine ochsenbreite Brust.
»Phil, grübeln Sie nicht länger! Und du, Evelyn, hättest ihm längst sagen können, auf was für einer Insel er sitzt.«
»Ich liebe ihn, du Vieh!« sagte Evelyn. Ihre Stimme war kalt und fremd.
»Wer hindert dich daran?! Wenn wir uns einig werden, bin ich in drei Tagen wieder weg, und ihr könnt hier weiter Adam und Eva spielen!«
»Ich gehe voran«, sagte Phil.
Sempa grinste und machte eine Verbeugung.
»Natürlich. Sie sind der Gastgeber. Madame –«, er verbeugte sich auch vor Evelyn, »– nach Ihnen. Ich passe als Schlußmann auf, daß niemand ausrutscht.« An der Höhle sah sich Sempa erstaunt um und bewunderte, was Phil in den letzten Wochen alles geschaffen hatte. Er setzte sich auf die Holzbank der Terrasse, blickte hinunter zur Bucht, übers Meer und hinauf zu den sieben Palmen, in denen der Wind spielte.
»Sie sind ein fleißiger Kerl, Phil. Alle Achtung!« Sempa breitete sein Handtuch aus und legte es sich über die Schulter. »Was Sie da machen, ist das nun Kultur oder Zivilisation? Ich habe den Unterschied nie begriffen.«
»Was kann ich Ihnen anbieten?« fragte Phil heiser. Er blickte zu Evelyn. Sie saß abseits am Rande des Uferfelsens. Er fragte sich plötzlich besorgt, ob sie sich dort hingesetzt habe, um sich hinabzustürzen, falls Sempas Enthüllungen so schrecklich waren, daß sie eine Fortsetzung ihrer Liebe und ein gemeinsames Leben unmöglich machten.
»Was haben Sie denn auf Lager?« Sempa sagte es sehr gnädig, fast mitleidig.
»Wenn Sie mögen, sogar Whisky, Kognak und Gin! Sonst Tee und wundervoll klares, reines Quellwasser!«
»Wollen Sie mich auf diese abscheuliche Weise umbringen?« Sempa lachte dröhnend. »Einen dreistöckigen Whisky pur, und Sie werden sehen, wie ich anlaufe. Meine 560 PS im Boot sind nichts dagegen! Übrigens: Wissen Sie, daß die kleine Wildkatze ein verflucht reiches Mädchen ist?«
»Wir sollten Evelyn bei unserem Gespräch aus dem Spiel lassen, Ari.«
»Das geht nicht! Sie spielt eine Hauptrolle. Allein schon durch James. Sie ist die Erbin von James McLaudon … Sie selbst, Phil, haben sie zur Millionärin geschossen! Was sagen Sie nun?!«
»Ich kann nichts sagen, weil ich nichts weiß.« Phils Kehle war wie ausgetrocknet.
Er ließ Sempa sitzen und ging in seine Wohnhöhle. Dort suchte er absichtlich lange in einer Metallkiste nach einer noch vollen Whiskyflasche und blieb dann, die Flasche in der Hand, an der Wand stehen.
Jetzt können sie sich mit Blicken oder Gesten verständigen, dachte er. Mir ist es egal. Mir ist jetzt alles egal! Ich könnte zusehen, wie man die Welt an allen Enden anzündet und würde noch in die Flammen blasen.
Warum wehrt sie sich nicht?
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