Das Geheimnis der Sonnensteine: Roman (Sonnenstein-Trilogie) (German Edition)
Köder schnappen, das weiß er. Und das genügt.
Über der Stelle, wo er die Echse vermutet, bilden sich kleine Strudel. Das Tier wird unruhig. Aber was ist mit den Marksaugern! Sie verschwinden in einem Seitenarm des Gewässers!
Da hört er, wie sich ein Luftkissenboot den Strom herauf nähert. Wütend verzieht Quattro das Gesicht. Diese Idioten, müssen sie ihm gerade jetzt in die Quere kommen? Da biegt das Boot um die Kurve. Eine lärmende, mit Laserwaffen ausgerüstete Gesellschaft ist an Bord. Brüllend und lachend schießen sie in das Wasser vor dem Bug des Bootes, wo es wild brodelt und schäumt! Sofort erkennt Quattro das silbrige Funkeln eines riesigen Marksaugerschwarms, der in panischem Entsetzen vor den Feuerstrahlen aus den Handlasern flüchtet.
Auf einem kleinen Wimpel sieht er das Emblem der Raumsicherheit. Sehen die Dummköpfe denn nicht, daß sie genau in ihr Verderben fahren? Ahnungslos bewegt sich die ausgelassene Jagdgesellschaft auf das lauernde Monoceros zu. Gleich müssen die Marksauger die Witterung des Tieres aufnehmen! Quattro kommt nicht mehr dazu, die Besatzung zu warnen.
Wie eine Fontäne spritzt das Wasser auf, und der massige Leib des Ungeheuers schießt aus der Tiefe empor! Aber Quattro, der es vorausgesehen hat, hält den gespannten Bogen bereits in der Hand. Zischend peitscht der Schleuderarm des Tieres in die Höhe, da schwirrt der Pfeil mit einem leisen Surren von der Sehne.
Noch ehe die anderen begreifen, was geschieht, fällt die Panzerechse mit einem schauerlichen Klagelaut zurück in die sich teilenden Fluten.
Quattros Ärger verfliegt, als er den dümmlichen Ausdruck auf den Gesichtern bemerkt. Beim großen Sirius, denkt er erheitert, es muß ja auch ein merkwürdiger Anblick sein, ein splitternackter Mann, nur mit einem Bogen bewaffnet… Womöglich wissen sie nicht einmal, daß es so etwas wie das Yumaritual überhaupt gibt!
Als Quattro, eine Kondizeenscherbe zwischen den Zähnen, ins Wasser springt, schreit einer der Sonntagsjäger entsetzt: „Die Marksauger! Mann, passen Sie auf, die zerfleischen Sie!“ Quattro lacht still in sich hinein. Diese Anfänger und Feiglinge haben ja keine Ahnung.
Die Fluten umschäumen den an der Oberfläche treibenden Leib des Einhorns, das ist das Werk der Marksauger. Quattro fürchtet sich nicht. Jetzt nicht, denn er weiß, daß sie von einem Rausch erfaßt werden, wenn sie das Anismark eines Monoceros wittern, dann beachten sie ihn überhaupt nicht. Es ist wie bei einem Mann, der sofort seinen Kaugummi ausspuckt, wenn man ihm einen saftigen Braten vorsetzt.
Ohne Zögern schwimmt Quattro durch den brodelnden Schwarm der gefräßigen Wassertiere, die nicht einmal zurückweichen, so daß er sich hindurchwühlen muß. Im allgemeinen wird behauptet, dies sei der erregendste Augenblick der Jagd, wenn der Yumaschütze, die Todesgefahr nicht scheuend, die Trophäe erobert. Nun, es ist nicht aufregender, als einen schlafenden und obendrein noch gefesselten, zu einem Fleischpaket verschnürten Löwen zu streicheln: Wenn das erregend sein soll – für Quattro ist es nur Routine.
Mit wenigen, oft geübten Schnitten trennt Quattro die scharfe Hornkante vom Schleuderarm des verendeten Tieres. Die vielen Scharten und Kratzer beweisen, daß es sich um ein im Kampf erfahrenes Einhorn handelt. Und das kann Quattro nur bezeugen. Denn zwölf Tage brauchte er, um die Schliche und Finten des Gegners zu durchschauen und sich einen Schlachtplan zurechtzulegen. Das ist wirkliche Jagd, der Kampf eines einzelnen, auf jede technische Errungenschaft verzichtenden Mannes gegen eine wilde, ungezähmte Natur! Wie erbärmlich und grausam wirkt dagegen das feige Abschlachten wehrloser Tiere mit modernen Laserwaffen, wie es diese Affen in dem Gleitboot machten. Weshalb tun sie es überhaupt, was gibt es ihnen, was ist daran so vergnüglich?
Man sollte doch bestrebt sein, die Rudimente menschlicher Urtriebe zu kultivieren, sie geschickt zu kanalisieren, das begreifen nicht einmal alle Mitglieder der Bruderschaft, sagt sich Quattro, während er seinen Umhang aufnimmt und stolz auf die gaffenden Sonntagsjäger zugeht. Auch ihm bereitet es tiefste Genugtuung, den tödlichen Pfeil abzusenden, sein Opfer zusammenbrechen zu sehen. Es ist eine kurze, heiße Welle des unsagbaren Triumphes, die dann über ihm zusammenschlägt. Doch ging dem Erlebnis des Sieges ein ritterlicher Kampf mit verteilten Chancen voraus.
Das Luftkissenboot setzt vor ihm auf dem Ufer auf. Nun
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