Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
eilig hinzu und schlug die Decke zurück. »Was hat die Glocke geschlagen?«
Energisch deckte Tringin das Mädchen wieder zu. »Die neunte Stunde, und Ihr bleibt gefälligst liegen! Hier.« Sie griff nach einem Tonbecher, den sie auf dem Nachtkasten abgestellt hatte, und gab ihn Lunetta. Das Mädchen schnupperte daran. »Kampfer, Honig und ein paar belebende Kräuter von Eurem Onkel.«
Lunetta trank gehorsam das schmelzende Gebräu, das ihren Brustkorb mit lindernder Wärme erfüllte.
»Das tut gut. Und nun will ich aufstehen«, sagte sie fest.
»Nein!«
»Doch. Ich muss mit Lambert sprechen.«
»Mit Lambert?« Tringin schüttelte den Kopf und stemmte die Arme in die Seiten. »Worüber?«
Lunetta sprang zappelnd aus dem Bett und nestelte an den Halsbändern ihres Schlafhemdes. »Er hat den Angreifer verfolgt, sagt mein Onkel.«
»Und ihn nicht erwischt.«
»Aber sicher erkannt! Ist Lambert schon im Kontor?«
Tringin zuckte die Achseln. »Nicht, dass ich wüsste. In seinem Zimmer ist er allerdings auch nicht. Eben wollte ich ihm den Morgenbrei bringen, aber sein Bett war unberührt.« Sie räusperte sich. »Na ja, wo nun seine Verlobte im Hause ist…«
Nicht seine Verlobte. Seine Frau, dachte Lunetta bitter und fühlte, wie die Erschöpfung zurückkehrte.
»Der Winter ist wie geschaffen für eine junge Liebe, sie hält die Leiber wärmer als das heißeste Feuer«, plapperte Tringin munter weiter. Lunetta zerrte an ihrem Nachthemd und errötete bis unter die Haarspitzen. Lambert in wollüstiger Umarmung mit Catlyn? Das konnte und wollte sie sich nicht vorstellen.
Tringin eilte herbei und löste den Knoten. »Gar keine Sünde is’ auch ’ne Sünde. Bald sind sie ja Eheleute. Das Haus van Berck braucht einen Stammhalter, und Lambert ist gut gerüstet für die Pflicht.« Sie kicherte. »Hab seinen Hosenteufel selber schon gesehen … als Amme. Nur als Amme!«
Lunetta kämpfte sich aus dem Nachthemd. Tringin schlenderte zum Feuer und legte wohlriechende Kiefernzapfen und dunkle Harzstücke in einen kleinen Kupferkessel über den Flammen. Süßer, tröstlicher Duft kräuselte sich über dem Kessel, warm wie Zimt.
»Du verbrennst kostbaren Styrax für mich?«
»Er hat’s befohlen, Euer Wohl geht ihm über alles. Gerade nach gestern Abend«, sagte die Magd.
»Lambert?«, entschlüpfte es Lunetta gegen ihren Willen. Ein Schauer durchfuhr sie. Ein Kälteschauer, beruhigte sie sich. Eisblumen übermalten die Bleiglasscheiben, und das Feuer hatte noch nicht angezogen.
Tringins Augen wurden rund vor Staunen. »Lambert? Nein, der Alte. Claas van Berck natürlich. Lasst den bloß nicht hören, dass Ihr Lambert für den Herrn im Hause haltet! Will ihn immer noch enterben wegen der Verlobung, schreit Zeter und Mordio … ›Hätte dieser dumme Mensch im Teufelskostüm doch nur auf Catlyn gezielt‹, hat er gesagt. Das ganze Haus hat’s gehört. Aber ich kenne Lambert. Der ist ein Ehrenmann und stur wie ein Esel, der wird an der Verlobung festhalten.«
Kopfschüttelnd ging die Magd zu dem Dreibein mit der Waschschüssel. Sie zog das Schaffell darüber fort.
»Was ein Glück, das Wasser ist nicht überfroren.« Mit Schwung leerte sie eine Zinnkanne dampfenden Wassers hinein. »So ist’s mollig. Obwohl ich nicht versteh, dass man sich jeden Morgen wie ein Frosch aufs Wasser stürzen muss. Mitten im Winter, brrr.«
»Ich springe nicht hinein, ich wasche mich nur«, entgegnete Lunetta und flitzte zum Waschstand.
Tringin war einem erfrischenden Zank am Morgen nicht abgeneigt. »Ich finde, Eure Bäder mit Rosenöl am Samstag genügen. Elf Schaff Wasser muss ich dafür kochen«, maulte sie. »Nehme an, das sind Sitten aus Eurer spanischen Heimat.«
»Maurische, um ganz genau zu sein«, erwiderte Lunetta, froh darüber, dass das Thema Lambert endgültig beendet schien. »Etwas haben die iberischen Christen von den Arabern gelernt: den Genuss eines parfümierten Bades.«
»Pah, Heidenunsinn. Warme Wasserbäder sind was fürs Hurenhaus und kalte für eine Hexenprobe.«
Tringin reichte dem frierenden Mädchen mit spitzen Fingern ein zotteliges Gebilde, das aus Spaniens finsteren Meeren stammte. »Ein Waschschwamm, hat man so was je gehört? Satansspielzeug.«
Lunetta tauchte ihn ins dampfende Wasser und strich sich genüsslich damit um den Hals. »Bäder helfen gegen Ungeziefer.«
»Ein kleiner Flohpelz unterm Gewand tut bessere Dienste. Ich muss mich mit einem Rattenfell begnügen, aber darin wimmelt’s oft
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