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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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wenn sie drohte, schwach zu werden. Und so gelang es Katharina, zumindest für den Augenblick, standhaft zu bleiben.
    »Welcher Tag ist heute?«, unterbrach sie den Mann in der Mönchskutte barsch.
    »Wir haben heute Samstag, den 4 . Dezember«, entgegnete der ehemalige Mönch mit leichtem Unmut. »Hättet Ihr vielleicht jetzt die Güte, mir zuzuhören?« Obwohl Katharina ihm die Antwort schuldig blieb, begann er vorzulesen:
    »Sucht also den Tod wie die Toten, die das Leben suchen. Denn solchen wird sich zeigen, was sie suchen. Wenn Ihr nach dem Tode sucht, wird er euch zeigen, dass Ihr auserwählt seid. Denn ich sage euch, dass niemand erlöst werden wird von denen, die sich vor dem Tod fürchten.«
    Kilian von Hattstein hielt inne und räusperte sich ergriffen. »Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie ich diese Worte zum ersten Mal las. Das war Anno 1507 in der Zisterzienserabtei Marienstatt zu Hachenburg im Westerwald. Ich hatte das Dokument zufällig im Boden einer morschen alten Büchertruhe entdeckt. Schon als ich es sah, fühlte ich, welche Kraft von ihm ausging.« Mit fast zärtlicher Geste strich der ehemalige Mönch über die mit feinem Goldschnitt versehenen Seiten. »In jeder freien Minute studierte ich die alte Schrift: Die Apokalypse des heiligen Jakobus. Später sollte sie das Fundament unserer Bruderschaft werden. Wir nennen uns fratres mortis, Brüder des Todes«, erläuterte der Mann in der grauen Mönchskutte und wies stolz auf das Totenkopfemblem auf der Samtdecke. »Die Brüder des Todes sind ein kleiner Kreis von Auserwählten, denen die Weisheit dieses geheimen Evangeliums zuteil wurde: den Tod als eine Befreiung, eine Erlösung, mehr noch, als die ewige Glückseligkeit anzusehen.«
    Kilian von Hattstein schien von seinen eigenen Worten berauscht. Er hielt inne und sah Katharina, die ihm mit skeptischer Miene zugehört hatte, eindringlich an.
    »Erlösung aber kann nicht von außen kommen. Sie muss aus dem Innern des Menschen erwachsen, wie ein zarter Trieb, der sich im Laufe der Zeit zu einem mächtigen verzweigten Baum entfaltet«, fuhr er im Tonfall eines Kanzelredners fort. »Erlösung ist ein Prozess, der sich von Mensch zu Mensch fortsetzt, bis er im Laufe vieler Jahrtausende die ganze Menschheit ergriffen hat. Der Erlöser gibt seine Weisheit an diejenigen weiter, die zur Erlösung bereit sind und ihrerseits den Weg der Erlösung gehen. Es heißt aber auch: Das, was du erfahren hast, sollst du in dir verbergen und darüber schweigen. Nur dem Berufenen sollst du es offenbaren …«
    »Ich fühle mich aber nicht berufen«, unterbrach ihn Katharina gereizt. »Und ich frage mich, warum man mich hier gefangen hält und ich mir Eure Litaneien anhören muss.«
    Kilian bedachte sie mit einem nachsichtigen Lächeln. »Wir sehen es als unsere Aufgabe an, um die Seelen derjenigen zu kämpfen, die vom Geist der Wahrheit erst schwach berührt wurden. Diesen Brüdern und Schwestern wollen wir den Weg weisen, wie sie die Fesseln der Vergänglichkeit endgültig abstreifen können. Aller Stolz und alle Überheblichkeit der Welt sind im natürlichen Körper des Menschen wirksam – er ist ein Sohn des Satans«, deklamierte er weiter. »Und den unseren sündigen Leib müssen wir überwinden, um frei zu sein für das Königreich des Todes.«
    »Was für ein Humbug!«, begehrte Katharina auf. »Unser Leib ist eine Gottesgabe, und er trägt uns durch das Leben, das gleichfalls ein Geschenk des Himmels ist.«
    »Euch wird, wie allen Brüdern und Schwestern des Todes, dereinst die Ehre zuteil werden, im Königreich des Todes Einzug zu halten. Und zwar aus freien Stücken ! Bei Euch indessen scheint dies noch ein langer, beschwerlicher Weg zu sein«, konstatierte er mit amüsiertem Kopfschütteln und ging langsam auf Katharina zu. Er nahm den noch immer vollen Trinkbecher und hielt ihn ihr an den Mund.
    »Trinkt jetzt!«, befahl er mit schriller Stimme. »Das wird Euch helfen, die Wahrheit zu erahnen.«
    Katharina presste die Lippen zusammen und wandte ruckartig den Kopf zur Seite. »Lasst mich, ich will dieses Teufelszeug nicht mehr!«, schrie sie aufgebracht und schlug ihm den Becher aus den Händen. Der Inhalt ergoss sich über seine Hände und besudelte die weiten Ärmel seiner grauen Mönchskutte. Mit eisiger Ruhe erhob sich der Mönch, wischte sich an den Falten seines Gewandes die Hände ab und streifte Katharina mit einem sarkastischen Blick.
    »Bei Euch, meine Liebe, müssen wir wohl härtere

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