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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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durchaus in Kauf genommen, durch die Begegnung mit dem Angstmann ihrem Ruf zu schaden.
    Wer mochte nur die Schlüsselfigur sein, die hinter allem steckte? Ob sich ihr das jemals offenbaren würde?
    Es begann bereits zu dämmern, als Anna zum Turm an der Stadtmauer kam, in dem Katharina wohnte. Aber sie war absichtlich so spät gekommen, denn dann war Katharinas Mann, der Nachtwächter, schon aus dem Haus, und sie konnten ungestört reden.
    Als Anna die Hand nach dem eisernen Türklopfer ausstreckte, bemerkte sie, dass sie leicht zitterte und Herzklopfen hatte. Das dumpfe Poltern hallte durch die Gasse. Mit angehaltenem Atem stand sie vor der Tür und blickte nach oben. Aus dem Turm war kein Laut zu vernehmen, nichts rührte sich. Anna klopfte noch einmal und versuchte verstohlen, die Türklinke zu drücken, doch die Tür war verschlossen. Sie spürte, wie sich ihr vor Enttäuschung der Hals zuschnürte. Verloren und entmutigt stand sie da und war unschlüssig, was sie als Nächstes tun sollte. Nach Hause mochte sie nicht gehen, weil sie genau wusste, dass sie dann nur wieder mit schwerem Herzen in der Stube sitzen und düster vor sich hin brüten würde. Anna hätte am liebsten geweint.
    Da ertönte plötzlich hinter ihr eine Männerstimme: »Da ist niemand. Schon seit Tagen nicht.« Anna drehte sich erschrocken um. Vor sich sah sie einen schlanken, hochaufgeschossenen jungen Mann in schwarzen Beinlingen und einer fadenscheinigen schiefergrauen Schaube. An den Füßen trug er längst aus der Mode gekommene rostfarbene Schnabelschuhe. Sein gutgeschnittenes Gesicht mit den hellgrünen Augen, die sie offen anblickten, hätte ihr durchaus gefallen können, wäre sie dem männlichen Geschlecht mehr zugeneigt gewesen. Alles in allem war ihr der Fremde nicht unsympathisch.
    »Das ist ja sonderbar«, entgegnete sie mit belegter Stimme. »Ich wollte zu Katharina Bacher. Sie ist eine Freundin von mir. Seltsam, dass sie seit Tagen nicht zu Hause ist. Wo mag sie nur sein?«
    »Das würde ich auch gerne wissen«, erwiderte der junge Mann mit einer Ernsthaftigkeit, die Anna erstaunte. Verwundert blickte sie zu ihm auf.
    »Mein Name ist Florian Hillgärtner, ich wohne gleich da drüben in dem Häuschen an der Stadtmauer und bin ebenfalls mit Katharina befreundet«, erklärte er.
    »Sehr erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen«, erwiderte Anna. »Ich bin Anna Stockarn.«
    »Die Schwester von Mechthild Stockarn, der ermordeten Patrizierin? Katharina hat mir von Euch erzählt.« Florian war offensichtlich froh darüber, Anna getroffen zu haben.
    »Ich hoffe, nur Gutes«, bemerkte sie.
    »Nur das Allerbeste. Nach Katharinas Bekundungen müsst Ihr die Klugheit und Warmherzigkeit in Person sein«, flachste Florian Hillgärtner mit einem spitzbübischen Lächeln. »Nein, im Ernst, Katharina hat große Stücke auf Euch gehalten.«
    Anna freute sich. »Danke schön, das ehrt mich«, entgegnete sie und lächelte geschmeichelt. »Katharina hat Euch schon einmal erwähnt, Ihr seid der Maler, nicht wahr?«
    Florian nickte. »Ich möchte Euch ja nicht kompromittieren, aber darf ich Euch vielleicht in mein Haus einladen? Dort könnten wir ungestört miteinander reden. Ich habe Euch nämlich einiges zu berichten.«
    »Euer Angebot nehme ich gerne an«, entgegnete Anna mit fester Stimme und folgte dem Maler zu seinem kleinen Häuschen neben dem Wohnturm des Nachtwächters.
    Ehe sie eintraten, blieb Florian verlegen stehen und sagte: »Bitte entschuldigt, ich bin heute noch nicht dazu gekommen, aufzuräumen. Meine Wohnstatt dient mir gleichzeitig auch als Atelier.«
    Anna lachte. »Geniert Euch nicht. Auch meine Studierstube ist immer mit Büchern und Papieren übersät.«
    »Katharina hat mir bereits gesagt, dass Ihr eine hochgebildete Dame seid.« Bei diesen Worten fixierte Florian Anna mit zusammengekniffenen Augen, als würde er eine Skizze von ihr anfertigen. Beim Anblick ihrer irritierten Miene erklärte er lachend: »Verzeiht mir. Aber das ist gewissermaßen eine Berufskrankheit von mir. Immer wenn mir ein Gesicht gefällt, möchte ich am liebsten gleich zum Skizzenblock greifen.«
    Anna, die von Komplimenten nicht gerade verwöhnt war, lächelte erfreut. Von dem jungen Maler ging etwas Erfrischendes, Unverkrampftes aus, was ihr gerade jetzt sehr guttat.
    Als Florian die Tür aufsperrte, kam ihnen der beleibte Morro wedelnd entgegengeeilt und sprang freudig an ihnen hoch.
    »Das ist doch der Hund des Nachtwächters!«, rief Anna erstaunt aus.

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