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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Mutter mit allerlei neugierigen Fragen bestürmt, die sämtlich um den gutaussehenden jungen Meisterschüler kreisten, und sie tat alles, um Frau Hedwigs Interesse noch weiter anzustacheln. Als sie sich schließlich ein wenig verschämt erkundigte, ob es denn nicht möglich sei, den jungen Herrn Hillgärtner demnächst einmal einzuladen – vielleicht zu einem kleinen, privaten Abendessen im Beisein der Eltern –, zeigte sich Hedwig Stockarn durchaus nicht abgeneigt und versprach, mit ihrem Mann zu reden.
    Als Florian am Abend des 8. Dezember, einem Mittwoch, im Hause Stockarn erschien, wurde er zu seinem freudigen Erstaunen mit einem geschmackvollen Hirschbraten mit Lebkuchensoße bewirtet. Auch der gehaltvolle Burgunderwein war köstlich, ganz offensichtlich war dem Ehepaar Stockarn daran gelegen, Annas vermeintlichem Verehrer mit freundlichem Entgegenkommen zu begegnen.
    Selbst die Tatsache, dass der junge Meisterschüler keine ganz standesgemäße Partie für eine Patriziertochter war, wurde von den Stockarns in stillem Einvernehmen vom Tisch gefegt, indem man sich vor Augen führte, dass längst nicht alle Kunstmaler am Hungertuch nagten. So kreiste auch die von Frau Stockarn gekonnt gelenkte Konversation um berühmte Künstler wie Holbein, Dürer und Ratgeb, die es durchaus zu Ruhm und Wohlstand gebracht hatten. Als Florian schließlich bemerkte, dass sein Meister der Schwager Albrecht Dürers sei und er den berühmten Künstler schon persönlich kennengelernt habe, war die Dame des Hauses hellauf begeistert.
    Nach dem Essen erlaubte sie den jungen Leuten sogar, sich in Begleitung der Magd Marie in Annas Studierstube zurückzuziehen. Dass Marie kurz darauf den Raum verließ, um sich heimlich mit einem Verehrer zu treffen, von dem nur Anna wusste, bemerkten die sonst so wachsamen Eltern nicht.
    *
    Kilian von Hattstein wirkte leicht betreten, als er Katharina am nächsten Morgen aufsuchte und ihr übel malträtiertes Gesicht wahrnahm.
    »Stärke dich ein wenig, Schwester. Der Haferbrei wird dir guttun«, ermunterte er sie und stellte eine Schale mit Brei und einen frischen Krug Wasser auf den Boden neben Katharinas Strohsack. Vor Schmerzen stöhnend richtete sich Katharina auf, und für einen flüchtigen Moment trat so etwas wie Mitgefühl in seine grauen Augen. Sein Blick fiel auf das von Blut und Samen besudelte Laken, und angewidert erklärte er: »Ich bringe dir nachher ein frisches Leinentuch. Das hier sieht ja geradezu ekelerregend aus.«
    Während Katharina ihren Brei löffelte, fuhr er in tröstendem Tonfall fort: »Das mit der Lektion gestern musste leider sein, Schwester. Denn wir, die Brüder des Todes, sehen es als unser oberstes Gebot an, nicht nur den sündigen Leib zu knechten, sondern auch unseren Geist von jeglichem Stolz und anmaßender Überheblichkeit zu befreien. Wir müssen uns leer machen von allen schädlichen Begierden und Trieben, die den natürlichen Menschen ausmachen. Leer und gleichmütig sollen unsere Herzen sein, wie der große Gleichmacher selbst, damit wir ihn in Würde empfangen können. Denn einzig im Tode liegt die Wahrheit alles Seins.«
    »Aber …«, setzte Katharina verhalten an, schüttelte dann aber den Kopf.
    »Nur raus damit Schwester, du must dich nicht genieren. Offenbare ruhig deine Zweifel. Ich liebe den Disput«, forderte sie der Graue auf.
    Katharina besann sich kurz, ehe sie vorsichtig äußerte: »Ich frage mich, warum Ihr den Tod als so etwas Besonderes erachtet? Er ist doch etwas ganz Gewöhnliches, denn sterben muss ja jeder.«
    »Das ist wahr, Schwester, alles Vergängliche in der Natur ist dem Tod unterworfen. Und das allein belegt schon seine Allmacht. Der große Gleichmacher führt uns vor Augen, dass all unser Streben, alle Leidenschaften und hochfahrenden Pläne vollkommen überflüssig und unnütz sind. Sie verketten den Menschen nur noch mehr mit der natürlichen Welt, die seinen wahren Geist wie einen Kerker umschließt. Unser Leben ist nichts als eitler Schein und ohnehin dem Tode unterworfen.«
    »Nur weil wir sterblich sind, soll unser Leben nichts wert sein? Wird es nicht gerade dadurch, weil es so begrenzt ist, zu einem besonders wertvollen Geschenk? Die Geburt eines Kindes, der Zauber einer Sommernacht, die Liebe zwischen zwei Menschen – das alles kann doch nicht wertlos sein! Schon wenn früher der Pfarrer von der Kanzel gepredigt hat, das Leben sei nur eine leidvolle Durchgangsstation auf dem Weg zum Himmelreich, habe ich mich

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