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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Mitleid für den Verblendeten.
    »Wie alt seid Ihr eigentlich, Bruder Kilian?«, entrang sich ihr.
    »Ist das denn wichtig?«
    »Ihr habt doch Euer Leben noch gar nicht richtig gelebt …«
    »Darauf kann ich gerne verzichten«, schnitt ihr Kilian das Wort ab. »Es geht hier auch nicht um mich. Habt Ihr unseren Lehrsatz schon wieder vergessen?« Er lächelte höhnisch. »Ich bin ein Nichts und ein Niemand und nur ein Bruder des Todes. Das haben wir aus der Apokalypse des Jakobus, die das geheime Wissen der Brüder des Todes ist …«
    Katharina fiel ihm ins Wort: »Aber wie ist denn dieses geheime Wissen zu den Brüdern des Todes gekommen? Das interessiert mich wirklich. Ihr habt die Schrift damals im Kloster gefunden … und wie ging es denn dann weiter?« Die Totenmagd sah ihn erwartungsvoll an, was den ehemaligen Mönch schließlich dazu bewog, ihr mit nachsichtigem Lächeln zu erzählen, wie er den Jakobus-Text gefunden hatte und dafür aus dem Orden ausgeschlossen worden war.
    »Nur diese Übersetzung des Originals konnte ich retten«, sagte er und deutete auf den Tisch, wo das Buch aufgeschlagen lag. »Und dann begegnete ich an jenem drückend schwülen Sommertag im Jahre 1507 dem Meister …«
    Kilian berichtete, wie Reinfried von Gückingen die Pest überstanden hatte, zu einem Erleuchteten geworden war und schließlich die »Brüder des Todes« gegründet hatte.
    »Wieso sprecht Ihr eigentlich immer von einem Reinfried von Gückingen? Ich denke, unser Meister heißt Leonhard Stefenelli?«, fragte ihn Katharina erstaunt.
    »Der ursprüngliche Name des Meisters ist Reinfried von Gückingen. Seinen zweiten Namen nahm er erst an, als man ihm nach dem Leben trachtete.«
    Als er Katharinas alarmierten Blick gewahrte, erläuterte Kilian: »Unsere Bewegung wurde so mächtig, dass uns Kirche und Obrigkeit als Bedrohung empfanden. Man wollte den Meister gefangen nehmen und ihn wegen der Verbreitung von Irrlehren zum Tode verurteilen. Dank unseres Bruders Anselmus Stefenelli aus Mainz, einem berühmten und sehr wohlhabenden Medicus, konnte er in letzter Minute gerettet werden. Er nahm den Meister bei sich auf und bildete ihn zum Arzt aus. Und da sein leiblicher und etwa gleichaltriger Sohn Leonhard an der Pest gestorben war, gab er Reinfried fortan als seinen Sohn aus. Anselmus war der Erste der Bruderschaft, den das Los auserkoren hatte, über die Schwelle zu treten, und nach seinem Tod zog der Meister, der dessen Besitztümer geerbt hatte, in das Frankfurter Stadtpalais in der Sandgasse und wurde, weil ihn sein Mentor vor seinem Hinübergehen empfohlen hatte, zum Stadtphysikus berufen.«
    Katharina hatte ihm angespannt zugehört. »In der Tat eine sehr wundersame Geschichte«, bemerkte sie beeindruckt. »Was aber hat es mit dem Los auf sich?«
    »Deine Wissbegier gefällt mir, offenbart sie mir doch, dass dein Geist reger ist, als ich zunächst vermutet hatte«, bemerkte Kilian mit gönnerhaftem Lächeln »Das war die Idee des Meisters. Du kennst doch bestimmt das Kinderspiel mit dem brennenden Kienspan, der so lange im Kreis herumgereicht wird, bis er in der Hand eines Teilnehmers erlischt. Da das Erlöschen des Feuers das Sterben symbolisiert – eine Kerze erlischt, wenn eine Seele in die Ewigkeit einkehrt –, lassen wir den Kienspan kreisen, wenn es darum geht, wer über die Schwelle treten darf. So ist es kein Mensch, nicht einmal der Meister selbst, sondern allein der große Gleichmacher, der den Tod beschließt«, erwiderte Kilian mit verklärtem Gesichtsausdruck. Katharina, die das unheimliche Schauspiel der Reigentänzer auf dem nächtlichen Peterskirchhof vor sich sah, bekam unwillkürlich eine Gänsehaut.
    Ihr gingen die Worte des Vaters durch den Sinn: In der Mitte des Kreises stand eine Gestalt, die mit dem blanken Totenschädel und der weiten blutroten Kutte aussah wie der leibhaftige Tod. In den Händen hielt der Knochenmann einen brennenden Kienspan, den er nun einem der Geister übergab. Die unheimlichen Reigentänzer reichten das glimmende Holzstück im Kreis herum, bis es schließlich in den Händen eines der Vermummten erlosch. Dieser stieß einen gellenden Schrei aus und warf sich vor dem Gevatter auf den Boden.
    »Und den Meister?«, murmelte sie mit belegter Stimme, obgleich sie die Antwort bereits ahnte. »Kann auch ihn das Los treffen?«
    Kilian zögerte kurz, bevor er antwortete: »Nein, denn der Gevatter hat ihn ja bereits erwählt. Als seine lebende Verkörperung steht er uns allen

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