Das Geheimnis der Totenmagd
Hausknecht. Übermorgen bin ich wieder da, und am Freitagabend komme ich dann zu dir. So lange hältst du hier die Stellung.«
»Hoffentlich findest du was heraus, denn es muss endlich etwas passieren. Katharina ist jetzt schon seit sieben Tagen verschwunden«, sagte Florian mit bekümmertem Gesicht.
Anna bemerkte: »Übrigens habe ich über Stefenelli schon einige andere interessante Dinge herausgefunden, die uns vielleicht weiterhelfen werden.«
Florians Miene hellte sich auf. »Tatsächlich? Erzähl!«
»Vor knapp über einem Jahr wurde er vom Rat der Stadt Frankfurt als Stadtphysikus eingestellt, auf schriftliche Empfehlung seines Vaters hin, des ehrwürdigen Herrn Professor Anselmus Stefenelli. Dieser war übrigens einen Monat zuvor verschieden. Als Patriziertochter weiß ich, dass solche Empfehlungen immer auch mit einer Geldspende verbunden sind – die oft nicht verbucht wird, wie auch in diesem Falle. Aber sie dienen immer einem ›guten Zweck‹ und landen für gewöhnlich im Stadtsäckel, den der Magistrat ganz in seinem Sinne verwaltet. Anselmus Stefenelli muss ein sehr wohlhabender Mann gewesen sein, der in Mainz etliche Häuser besaß. Das Palais in der Sandgasse, in dem heute sein Sohn lebt, gehörte ihm auch. Es könnte also durchaus sein, dass Stefenellis Vater seinem Sohn das Amt als Stadtphysikus gekauft hat. Man wird es nicht beweisen können, und überdies ist dies bei der Vergabe städtischer Ämter leider eine durchaus gängige Praxis. Man muss die nötigen Beziehungen haben – und das nötige Kleingeld.« Anna seufzte und trank einen Schluck Honigwein.
Dann fuhr sie fort: »Aber es gibt da noch etwas: In Leonhard Stefenellis sonst so makelloser Dienstakte findet sich nämlich noch ein kleiner Schönheitsfehler.« Anna lächelte triumphierend.
»Was denn für einer?«, fragte Florian mit vor Spannung geweiteten Augen.
Just in diesem Moment klopfte es an die Stubentür, und die Stimme von Annas Mutter war zu vernehmen.
»Entschuldigt bitte die Störung, aber darf ich einmal kurz reinkommen?«
Anna und Florian waren zusammengezuckt.
»Auch das noch!«, schnaubte Anna leise. Dann rief sie in gemäßigterem Tonfall vernehmlich: »Du störst überhaupt nicht, komm doch rein!«
Hedwig Stockarn schien an diesem Abend zum ersten Mal seit langer Zeit in aufgeräumter Stimmung zu sein. Ihre veilchenblauen Augen strahlten, und ihre feingeschwungenen Lippen verzogen sich beim Anblick der vermeintlichen jungen Liebesleute zu einem neckischen Lächeln. »Pardon, pardon!«, säuselte sie und erhob schäkernd den Zeigefinger, so als hätte sie Anna und Florian beim Turteln ertappt, dabei saßen sie in geziemender Distanz auf ihren Stühlen.
»Was gibt es denn, Mutter?«, fragte Anna unwillig und blickte ihre Mutter fragend an.
Annas Mutter legte eine Kunstpause ein, ehe sie, an Florian gewandt, flötete: »Werter Herr Hillgärtner, mein Gatte und ich möchten Euch mit einem Auftrag betrauen – freilich nur, wenn es Eure Zeit erlaubt.«
»Sehr gerne, gnädige Frau. Es wäre mir eine Ehre«, erwiderte Florian und lächelte erfreut. »Um was handelt es sich denn?«
»Nun«, Hedwig Stockarn schmunzelte geheimnisvoll, »wir haben dabei an ein Porträt von unserer Anna gedacht.«
»Nichts lieber als das!«, erwiderte der Meisterschüler begeistert. »Anna wäre bestimmt ein phantastisches Modell! Mit ihren wachen, klugen Augen, den herben, fast ein wenig strengen Gesichtszügen und ihrer ungekünstelten Schlichtheit gemahnt sie mich an eine gelehrte Klosterfrau …« Florian, der munter drauflos geplappert hatte, hielt plötzlich inne, als er die reservierte Miene von Annas Mutter bemerkte.
»Ja, also … sehr gerne«, äußerte er förmlich und schaute verwundert auf Anna, die unversehens angefangen hatte, lauthals loszulachen.
»Wann soll es denn fertig sein?«, erkundigte er sich leicht irritiert.
»Nun, vielleicht bis zum 12 . März. Wir möchten es ihr zum Geburtstag schenken«, erwiderte Frau Hedwig angesichts von Annas Lachsalve merklich kühler und empfahl sich wieder.
»Habe ich etwas Falsches gesagt?«, erkundigte sich Florian bei Anna, als sie wieder allein waren.
»Im Gegenteil«, lachte sie. »Du hast genau ins Schwarze getroffen! Mit der Klosterfrau, meine ich. Genau das wirft sie mir doch immer vor, dass ich so wenig auf mein Äußeres gebe und wie ein Blaustrumpf daherkomme. So, aber nun wieder zu unserem Freund Stefenelli und seiner Dienstakte – die hiesige
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