Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
Vom Netzwerk:
Hübscherinnen aufzuhalten pflegten, wenn sie keine Kundschaft hatten, wurde er von den anwesenden Huren freudig begrüßt. Sie mochten den jungen Maler. Er behandelte sie stets höflich und freundlich, ohne die übliche Herablassung, die ihnen sonst allenthalben entgegenschlug. Außerdem war er gut gebaut und hatte ein einnehmendes Gesicht, was man längst nicht von jedem behaupten konnte, der hier ein und aus ging. Nicht wenige der Huren hatten ihm ihre Dienste auch schon unentgeltlich angeboten – worauf er allerdings nur einmal eingegangen war. Der dunkelhaarigen Marie, die ihn mit ihren Reizen umgarnte, hatte er einfach nicht widerstehen können. Aber dann hatte er Katharina kennengelernt, und alle anderen Frauen hatten ihre Anziehungskraft für ihn verloren.
    Auch die Zimmerin begrüßte Florian herzlich und lud ihn ein, sich an den Tisch zu setzen, um mit ihnen zu vespern. In einer großen gusseisernen Pfanne, die mitten auf dem Tisch stand, befanden sich gebratene Eier mit ausgelassenen Speckscheiben, und auf einem Holzbrett daneben lag ein kastenförmiges Roggenbrot. Die Hurenkönigin schnitt Florian eine dicke Scheibe ab, schaufelte eine ordentliche Portion Speck und Eier auf einen Holzteller, füllte einen Zinnbecher mit Wein und stellte alles vor den jungen Mann auf den Tisch.
    »Stärk dich erst mal, mein Junge. Du hast doch heute bestimmt noch nichts Gescheites zu essen gekriegt, so mager, wie du bist«, äußerte sie mütterlich, während sie sich wieder an ihren Platz an der Stirnseite des Tisches begab, an dem acht gelbgewandete Hübscherinnen saßen. Die Hurenkönigin bekreuzigte sich und sprach ein kurzes Tischgebet, was ihr die restlichen Huren gleichtaten:
    »Komm, Herr Jesus, sei unser Gast …«
    Als Florian der herzhaften Mahlzeit nur mit mäßigem Appetit zusprach und auch sonst ein bekümmertes Gesicht machte, erkundigte sich die Hurenkönigin auf ihre direkte Art, was für eine Laus ihm denn über die Leber gelaufen sei.
    »Ach, nichts«, entgegnete er ausweichend und stocherte weiterhin betreten in seinem Essen herum. Schließlich platzte er heraus: »Ich mache mir halt so schlimme Sorgen um die Katharina Bacherin. Das ist meine Nachbarin, und wir haben uns ein bisschen angefreundet. Ihr Mann, der Nachtwächter, ist doch letzte Woche am Freitagmorgen erstochen in einem Brunnen gefunden worden, und seitdem ist sie spurlos verschwunden.«
    »Was du nicht sagst«, erwiderte die Zimmerin ernst. »Das tut mir aber leid um das nette Mädel. Sie war damals so anständig zu uns. Wenn sie nicht gewesen wäre, hätten wir nie erfahren, dass unsere Gildeschwester Hildegard erwürgt worden ist. – Auch wenn ihr Mörder bis heute noch nicht gefasst wurde, weil sich niemand von der Stadt darum gekümmert hat!« Beim Gedanken daran packte sie der Zorn. »Ich hab dem Untersuchungsrichter Lederer damals gleich die Liste aller Stammfreier von Hildegard gegeben und dem faulen Sack immer wieder Dampf gemacht. Aber das hat alles nichts genützt. Und als dann ein paar Tage später die tote Patriziertochter auf dem Friedhof gefunden wurde, war die Müh ohnehin vergeblich, denn so eine ist ja viel wichtiger als eine von uns. Da sind die hohen Herren gleich panisch geworden, und die Hildegard war vergessen. Ich grüble heut noch darüber nach, welcher Schuft das Mädchen auf dem Gewissen hat. Es muss jemand sein, der in roter Seide daherkommt«, erzählte sie, an Florian gewandt. »Die Totenfrau hat doch in Hildegards Hand einen Fetzen roter Seide gefunden und mir ins Frauenhaus gebracht. Und ausgerechnet die Totenwäscherin ist jetzt verschwunden … das ist eine schlimme Geschichte. Vielleicht ist sie ja auch umgebracht worden …«
    Als die Zimmerin bemerkte, wie sehr ihre Bemerkung Florian zuzusetzen schien, sagte sie betroffen: »Tut mir leid, mein Junge. Sie liegt dir wohl sehr am Herzen, die Bacherin. Ist ja auch so eine Schöne.« Die Hurenkönigin und auch die Hübscherinnen blickten den jungen Maler mitfühlend an, der offensichtlich Mühe hatte, nicht vollends die Fassung zu verlieren und vor aller Augen in Tränen auszubrechen.
    Für geraume Zeit herrschte in der heimeligen Stube bedrücktes Schweigen. Nur das leise Knistern des Feuers aus dem Kachelofen war zu vernehmen.
    »Ich habe sie gesehen«, durchbrach plötzlich die kehlige Stimme einer jungen Hübscherin die Stille. Als ihr sogleich die ungeteilte Aufmerksamkeit der Tischgesellschaft zuteil wurde, errötete sie tief und senkte

Weitere Kostenlose Bücher