Das Geheimnis der Totenmagd
Tötens aus, und es schreckte ihn längst nicht mehr. Da es ihm auch oblag, als Züchtiger die Angeklagten der Folter zu unterziehen, hatte er früh gelernt, dass der Tod längst nicht das Schlimmste war, was einem Menschen widerfahren konnte. Oft genug war er die Erlösung von einer langen, qualvollen Pein.
An jenem Donnerstag, den 5 . November im Jahre des Herrn 1509, war Meister Hans eigentlich davon ausgegangen, dass ihm der Delinquent nicht mehr allzu viel Arbeit machen würde. Einer, der sich schon bei der leichten Befragung als so geständig erwiesen hatte wie Heinrich Sahl am Vortag, würde unter der verschärften Folter bestimmt alles bekennen, was der Dominikaner von ihm hören wollte.
Um die Mittagszeit befahl Ottenschläger, der ein großer Bewunderer der spanischen Inquisition war, dem Henker mit knochentrockener Stimme:
»Leg Er ihm jetzt die Spanischen Stiefel an, Angstmann. Dann wird er schon geständig werden.«
Der Henker holte mit gleichgültigem Gesichtsausdruck die schweren Eisenplatten herbei, die der Form des Unterschenkels angepasst waren und legte sie um Heinrich Sahls Schienbeine und Waden. Dann drehte er die Eisenschrauben fest. Obgleich dies erst der Anfang war und die Schrauben sich noch am oberen Teil des Gewindes befanden, gab der Delinquent einen lauten Schmerzensschrei von sich.
Na, das kann ja heiter werden , dachte Meister Hans missmutig. Ihn selber hatte die Arbeit zwar bis zu einem gewissen Grade stumpf werden lassen, was für einen professionellen Peiniger auch unerlässlich war, doch im Grunde genommen mochte er es nicht, wenn seine Kandidaten bluteten und schrien.
Im Gegensatz dazu schien Ottenschläger von Sahls Wehklagen nur noch angestachelt zu werden. »Dreh Er ruhig noch ein bisschen an«, forderte er launig.
Sobald die markerschütternden Schreie in ein gepeinigtes Wimmern übergegangen waren, wandte sich der Inquisitor dem Delinquenten zu.
»Er hat doch so eine hübsche Tochter, Sahl. Hat die ihm nicht bei seinen Missetaten geholfen?«, fragte er lauernd.
In Heinrich Sahls Augen trat blankes Entsetzen. »Nein, niemals!«, stieß er hervor. »Das Kind hat mit … mit meinen gottlosen Taten nicht das Geringste zu tun!«
»Und das soll ich ihm glauben? Einem wie ihm, der sich mit dem bösen Feind verbündet hat?«
Tückisch fuhr der Inquisitor fort: »Ich hab sie doch gestern selbst gesehen, die Jungfer. Und als ich in ihr hochmütiges Gesicht geblickt habe, wusste ich gleich: Diese Dirne ist eine Buhlin des Teufels!«
»Nein, das stimmt nicht! Sie ist eine fromme und ehrbare Frau. Fragt doch den Herrn Pfarrer. Der wird Euch das Gleiche sagen. Von meinen Freveltaten hat Katharina nichts gewusst! Das schwöre ich bei der Jungfrau Maria!« Heinrich Sahl hatte sich, soweit es ihm möglich war, aufgerichtet und die Hand zum Schwur erhoben.
»Versündige er sich nicht«, zischte Ottenschläger verächtlich und wies den Henker an, die Beinschrauben noch einmal enger zu drehen. Wieder gab Sahl schrille Schreie von sich, was den Inquisitor noch zu beflügeln schien:
»War es nicht sie, seine so liebreizende Tochter, welche die arglose Jungfer Stockarin auf den Friedhof gelockt hat? Ganz artig hat sie mit ihr geplaudert und sie dabei betört, so, wie der böse Feind es sie gelehrt hat. Hat mit sanfter Stimme auf sie eingeredet wie auf ein Lämmchen, ehe es geschlachtet wird, und ihr dann hinterrücks die Kehle durchgeschnitten. So war es doch! Und dann hat sie das warme Blut der Jungfrau getrunken und mit ihrem Buhlen, dem Satan, abscheuliche Unzucht getrieben.«
Stundenlang ging die schreckliche Prozedur. Immer wieder bezichtigte der Dominikaner die Totengräbertochter der schlimmsten Freveltaten, doch der Gepeinigte wies Ottenschlägers teuflische Beschuldigungen mit geradezu heldenhafter Standhaftigkeit von sich. Er verteidigte sie selbst dann noch, als Meister Hans die Schrauben so eng wie möglich zusammendrehte und dadurch Sahls Beine derart presste und zermalmte, dass an den Schaftenden Blut und Knochenmark hervorquollen. Da war der Totengräber glücklicherweise ohnmächtig geworden, und die Vernehmung musste beendet werden.
»Halte Er sich morgen früh für ein weiteres Verhör bereit«, befahl Ottenschläger dem Henker mit offenkundiger Verärgerung. »Und schaff Er mir diesen Dreck da aus den Augen.« Er wies auf den Geschundenen.
Während der Dominikaner noch über sein Schreibpult gebeugt war und mit kratzender Feder das Verhör protokollierte, trug
Weitere Kostenlose Bücher