Das Geheimnis der Totenmagd
da.«
»Danke«, flüsterte sie und wurde unversehens von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt. Florian legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter.
»Armes Ding. Was ist ihm denn widerfahren? Kommt, wir gehen zu mir. Da zünde ich uns den Ofen an und mache Euch eine heiße Milch. Ihr seid nicht alleine. Ich halte zu Euch.« Er deutete auf sein Häuschen und wollte sie mit sich ziehen.
»Ich kann doch nicht einfach mit Euch gehen«, widersprach Katharina. »Das gehört sich nicht, ich bin doch eine verheiratete Frau. Was soll nur mein Mann dazu sagen …«
»Und wo ist Euer Mann?«, erwiderte Florian vorwurfsvoll. »Lässt Euch hier allein und zu solch später Stunde im Regen herumirren, während Euer Vater in so großer Gefahr ist …«
»Mein Mann ist im Dienst. Ich habe Euch doch gesagt, dass er Nachtwächter ist.«
»Ach so, natürlich. Aber so könnt Ihr nicht bleiben, Katharina. Ihr seid in einer so schlimmen Verfassung, dass Ihr Hilfe braucht. Wenn ich als Euer Nachbar mich ein wenig um Euch kümmere, kann Euer Mann doch nichts dagegen haben«, bemerkte er entschieden und führte sie zu seinem Häuschen.
Nachdem er den Ofen angeheizt hatte und sie ihre nassen Mäntel abgelegt hatten, legte er Katharina eine Wolldecke über die Schultern und bereitete heiße Milch mit Honig, in die er einen ordentlichen Schluck Branntwein goss. Katharina wärmte ihre klammen Finger an dem heißen Trinkbecher und trank das wohltuende Getränk in kleinen Schlucken. Florians Fürsorglichkeit und seine einfühlsamen Blicke taten ihr gut. Auch das Weinen hatte ihr geholfen. Der schmerzhafte Knoten, den sie die ganze Zeit in ihrer Brust gespürt hatte, löste sich, und sie erzählte Florian, was geschehen war.
»Ich habe solche Angst um meinen Vater. Sie werden ihn hinrichten«, murmelte sie verzagt.
»Ich versteh nicht, warum der Pfarrer und der Inquisitor sich so stur stellen, was diese unheimlichen Reigentänzer anbetrifft. Denen muss doch auch daran gelegen sein, dieser Sache nachzugehen«, sagte Florian nachdenklich.
»Sie glauben ihm das nicht und tun das einfach als Spinnereien ab«, erwiderte Katharina erbittert.
»Vielleicht wollen sie ihm nicht glauben. Weil es ihnen, aus welchen Gründen auch immer, nicht in den Kram passt«, sinnierte Florian mit gerunzelter Stirn. »Ich weiß nicht, irgendwie kommt mir das alles wie ein abgekartetes Spiel vor. Nur weil Euer Vater das Pech hatte, die ermordete Patrizierin im Beinhaus zu entdecken und ihre Brosche auf dem Friedhofsweg gefunden hat, bezichtigt man ihn, die Schreckenstat begangen zu haben. Der Inquisitor will wohl unbedingt in Eurem Vater den Mörder sehen.«
»Das scheint mir auch so. Deswegen bin ich ja so verzweifelt«, seufzte die Totenmagd. »Aber wie soll ich diesen Kirchenmann von der Unschuld meines Vaters überzeugen, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen? Und der Pfarrer will sich nicht für den Vater einsetzen, dieser scheinheilige Feigling!«
»Der will halt seinem Amtskollegen nicht in den Rücken fallen. Die stecken doch alle unter einer Decke, diese Kuttenträger«, entgegnete der Maler grimmig und nahm einen Schluck von seinem Getränk. »Aber mir kommt da noch eine andere Idee. Sprecht doch mit den Angehörigen der toten Patrizierin und erzählt ihnen von der nächtlichen Versammlung, die Euer Vater beobachtet hat. Die Stockarns sind mächtige und einflussreiche Leute, denen muss doch auch daran gelegen sein, dass die wahren Schuldigen überführt werden. Vielleicht könnt Ihr auf diese Weise Euren Vater retten.«
Katharina schien von der Überlegung sehr angetan und erklärte gleich darauf entschlossen: »Genau das werde ich machen. Ich gehe morgen zu den Stockarns und versuche, sie zu überzeugen. Die können das ja auch nicht wollen, dass der Falsche für die Gräueltat an ihrer Tochter bestraft wird und die wahren Schuldigen ungeschoren bleiben.« Die Augen der Totenwäscherin leuchteten, sie hatte wieder zu ihrem alten Kampfgeist zurückgefunden.
Auch Florian hatte das bemerkt. »Ihr werdet das schon schaffen«, erwiderte er aufmunternd. »Schließlich passt Mutlosigkeit gar nicht zu Euch.«
Katharina nickte tapfer und lehnte sich auf der Bank zurück. Ziellos ließ sie ihre Blicke durch den Raum schweifen.
»Die Gemälde da drüben an der Wand, sind die von Euch?«, fragte sie leise.
»Ja. Wollt Ihr sie Euch einmal anschauen?«
»Warum nicht? Das bringt mich vielleicht auf andere Gedanken.«
Florian erhob sich und ergriff eine
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