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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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verwenden?«, fragte Katharina enttäuscht und blitzte den alten Pfarrer mit auflodernder Wut an.
    Juch wich ihrem Blick aus und schlug vor: »Wir können hinüber in die Kirche gehen und für deinen Vater, den armen Sünder, eine Kerze am Marienaltar entzünden, auf dass ihm die Heilige Jungfrau in all ihrer Güte in diesen schweren Tagen beistehen möge …«
    »Wenn Ihr es beim Beten bewenden lassen wollt, so muss ich mich damit wohl abfinden. Auch wenn es mich sehr schmerzt, dass es Euch nicht einmal einen Versuch wert ist, den Vater auch im Diesseits zu retten«, erklärte Katharina verächtlich und hielt ihre bernsteinfarbenen Augen unerbittlich auf den Geistlichen gerichtet. »Dann muss ich halt selber mit dem Herrn Inquisitor sprechen und versuchen, ihn von der Unschuld meines Vaters zu überzeugen.« Sie erhob sich von ihrem Stuhl.
    »Das würde ich dir nicht raten, Katharina«, murmelte der Pfarrer, der plötzlich sehr besorgt wirkte.
    »Warum nicht? Ich werde alles tun, was ich tun kann, um den Vater zu retten.«
    »Mein liebes Mädchen, der ist nicht mehr zu retten. Keine Macht der Welt vermag es, einen Gefangenen zu befreien, den die Untersuchungsbeamten der Heiligen Kurie bereits der peinlichen Befragung unterzogen haben. Die Gesetze der Inquisition erlauben keinen Widerruf eines Geständnisses.«
    »Aber der Vater ist unschuldig! Ich gehe jetzt auf der Stelle zum Mainzerturm und rede mit diesem Ottenschläger«, widersprach Katharina aufgebracht.
    »Der wird dir was husten, Katharina. Ein so hoher Herr gewährt einer wie dir mit Sicherheit keine Audienz.«
    »Dann warte ich so lange, bis er rauskommt. Und wenn der zehnmal so ein hohes Tier ist, ich geh da nicht eher weg, bis der mich angehört hat.«
    »Wenn der überhaupt eine wie dich anhört, dann steckt sie schon fast im Schraubstock. Katharina, sei bloß vorsichtig!«, beschwor sie der Pfarrer eindringlich. »Ich sage dir das auch nur, weil du mich dauerst und weil du so eine brave Jungfer bist. Halt um Gottes willen still in der Angelegenheit, sonst lenkst du am Ende noch den Verdacht des Inquisitors auf dich. Und das würde mir doch sehr leidtun.«
    »Wie denn das?«, fragte Katharina erstaunt. »Ich hab doch überhaupt nichts getan.« Der Pfarrer zögerte mit der Antwort.
    »Weil er dich möglicherweise als Mittäterin verdächtigt«, erläuterte er dann mit gesenkter Stimme.
    »Was ist denn das für ein Humbug!«, rief die junge Frau empört. »Der ist ja nicht bei Sinnen, dieser Ottenschläger!«
    »Hüte bloß deine Zunge, Mädchen, sonst wird sie dir noch herausgerissen! Ich sage es jetzt zum letzten Mal: Dein Vater ist nicht mehr zu retten. Geh jetzt nach Hause zu deinem Mann, und verhalte dich fürderhin mucksmäuschenstill – dann kannst du vielleicht noch dein eigenes Leben retten.«
    »Aber ich kann doch den Vater nicht einfach im Stich lassen! Sein Leben muss ich retten – und wenn ich gegen Tod und Teufel kämpfen muss.«
    »Dann ist dir nicht zu helfen, Katharina«, grummelte Juch unwirsch. »Du rennst sehenden Auges in dein Unglück.«
    Die Totenwäscherin schüttelte den Kopf und ging zur Tür.
    »Ich kann doch nicht zu Hause sitzen und so tun, als wenn nichts wäre, wo es dem Vater an den Kragen geht«, sagte sie beim Hinausgehen leise und war wieder den Tränen nahe. »Ich muss ihm doch helfen in all seiner Bedrängnis. Das hätte er auch für mich getan.«
    Als sie hinaustrat in den kalten Novemberregen, brach sich all ihre Trostlosigkeit und Verzweiflung Bahn, und sie weinte hemmungslos.
    Nach einer Weile hörte sie auf, schniefte und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Und dann stand sie noch eine Zeitlang reglos auf dem Kirchhof, ergab sich ganz und gar dem Wind und dem Regen, die wohltuend über ihr verweintes Gesicht strichen, und spürte in sich eine Kraft aufsteigen, die sie wärmte und erquickte. Genug geheult, jetzt wird gekämpft , ermahnte sie sich streng und begab sich zielstrebig zum Mainzerturm, um sich beim Inquisitor für ihren Vater zu verwenden.
    *
    Für den Beruf von Meister Hans gab es mannigfaltige Namen, die teilweise noch aus grauer Vorzeit stammten. Ebenso umfangreich und weit verzweigt waren auch die Stammbäume der verschiedenen Henkerssippen, denen es seit alters her vorgeschrieben war, nur unter ihresgleichen zu heiraten. Und der Sohn eines Henkers musste den Beruf des Vaters weiterführen, ob er wollte oder nicht.
    Seit nahezu vierzig Jahren übte Meister Hans nun schon das Gewerbe des

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