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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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zu ihm lassen. Und reden werdet Ihr auch nicht mit ihm können«, beschied er sie schroff und wandte sich zum Gehen.
    Katharina war kreidebleich geworden. »Steht es so schlimm um ihn? – Was hast du ihm angetan, du elender Leuteschinder?«, schrie sie wie außer sich. Sie stürzte zum Eingangsportal des Gefängnisturms und versuchte, es aufzureißen, doch es war verschlossen. Noch ehe sie den schweren gusseisernen Türklopfer betätigen konnte, war der Henker hinter sie getreten und umklammerte mit eisernem Griff ihre Handgelenke. Während die Totenwäscherin verzweifelt versuchte, sich ihm zu entwinden, murmelte er besänftigend:
    »Ruhig Blut, junge Frau. Ich bin ja bereit, ein offenes Wort mit Euch zu wechseln, wenn Ihr Euch ruhig verhaltet und mir zuhört.«
    Katharina, die spürte, dass er es ehrlich meinte, ließ sogleich jeden Widerstand fahren. Der Henker gab ihre Hände wieder frei und äußerte sein Bedauern, als sich die junge Frau die schmerzenden Gelenke massierte.
    »Ich wollte Euch nicht weh tun, Bacherin. Auch wenn mir das keiner glaubt: Ich tue niemandem gerne weh. – Aber lasst uns doch ein Stück an die Seite gehen«, schlug er vor und strebte auf die Stadtmauer zu, wo er, gefolgt von Katharina, in eine Mauernische trat. »Hier ist es zwar stockdunkel, aber wir sind ungestört. Und das ist ja auch in Eurem Sinne, denn schließlich seid Ihr eine rechtschaffene Frau.«
    »Meister Hans, bitte, sagt mir jetzt die Wahrheit. Was ist mit meinem Vater?«, flüsterte die Totenwäscherin.
    »Ich will ehrlich zu Euch sein, auch wenn es mir strengstens verboten ist, etwas über den Verlauf einer peinlichen Befragung verlautbaren zu lassen. Euer Vater ist nicht mehr zu retten, er wird, vorausgesetzt, er überlebt die weitere Tortur und die Kerkerhaft, mit Sicherheit zum Tode verurteilt werden. Selten habe ich erlebt, dass jemand bei der verschärften Folter so tapfer war wie er. Er muss Euch sehr lieben, denn er hat Euch nicht verraten. Daher empfehle ich Euch dringend, nehmt Abstand davon, den Inquisitor zu sprechen. Er ist der Teufel in Menschengestalt. Ich kann Euch nur raten: Geht nach Hause, schnürt Euer Bündel, und lauft davon, solange Ihr es noch könnt. Denn wenn Ihr diesem Bluthund in die Fänge geratet, seid Ihr verloren. Ich werde tun, was ich kann, um die Marter Eures Vaters zu mildern, das verspreche ich Euch. Auch jetzt ist einer meiner Leute bei ihm und gibt ihm etwas gegen die Schmerzen.«
    Katharina schluchzte während seiner Ausführungen verzweifelt. »Aber ich kann ihn doch jetzt nicht einfach im Stich lassen! Er ist unschuldig, will das denn keiner begreifen?«, stammelte sie mit tränenerstickter Stimme.
    »So viele dieser armen Teufel sind unschuldig. Und unter der Folter gestehen sie dann jede Gräueltat, die ihnen die verfluchten Mönche eintrichtern.«
    »Aber das kann doch nicht sein, dass die Kirche so etwas Schreckliches zulässt! All die Päpste und Kardinäle, das sind doch alles fromme, gottesfürchtige Menschen. Solche Vergehen muss man ihnen melden!«
    »Ja, tut ihnen nur den Gefallen. Dann verbrennen sie Euch vor lauter Dankbarkeit auf dem Scheiterhaufen«, entgegnete der Mann des Todes mit abgrundtiefem Zynismus und eilte durch die Dunkelheit davon.
    *
    Katharina war so in ihrem Kummer befangen, dass sie den strömenden Regen gar nicht bemerkte. Mit gesenktem Kopf und schweren Schritten, als trüge sie eine zentnerschwere Last auf den Schultern, schlurfte sie durch die finsteren Gassen. Als sie vor dem Wohnturm angekommen war, war sie völlig durchnässt und schlotterte vor Kälte. Mühsam nestelte sie in dem Lederbeutel an ihrem Gürtel nach dem Schlüssel.
    Da ertönte plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit hinter ihr: »Katharina!«
    Sie schreckte zusammen. Als sie sich umdrehte, gewahrte sie schemenhaft Florian Hillgärtner, der sich ihr rasch näherte.
    »Was macht Ihr denn noch draußen bei diesem Wetter? Ihr seht ja aus, als wärt Ihr in den Main gefallen«, sagte er munter und strich sich die feuchten Haare aus der Stirn.
    Katharina schwieg und sah ihn nur müde an. Dann senkte sie den Kopf und schob den Schlüssel ins Schloss.
    »Was ist passiert?«, fragte er erschrocken. »Ist etwas mit Eurem Vater geschehen?«
    »Ja, aber ich will nicht darüber reden«, erwiderte sie leise. »Ich will niemanden mehr sehen und hören.«
    »Ich verstehe«, entgegnete er betreten. »Aber falls Ihr doch jemandem Euer Herz ausschütten wollt, bin ich immer für Euch

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