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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Erbarmen. Erst recht nicht bei so armen Teufeln wie uns. Da braucht man schon einen mächtigen Fürsprecher, und den hat unsereiner nun mal nicht«, konstatierte der Nachtwächter bitter und musterte seine Frau mit besorgter Miene.
    Katharina zog ein trotziges Gesicht. »Ich kann deine ewigen Litaneien nicht mehr hören! Und wenn ich zehnmal keine Chance habe, den Vater zu retten: Ich kämpfe bis zum Umfallen!«, fauchte sie erbost.
    »Ist ja gut, mein Engel. Glück und Segen wünsch ich dir, und gib gut auf dich acht. Die Leute sind garstig geworden, seit das Geständnis von deinem Vater verlesen worden ist.«
    »Sei’s drum. Dem hinterfotzigen Gesindel leucht ich schon heim!«, erwiderte die Totenwäscherin aufgebracht und wandte sich zum Gehen.
    Hocherhobenen Hauptes schritt sie durch die Mainzergasse und ignorierte die bösen Blicke einiger Stadtbürger mit stoischer Gelassenheit. In den letzten Tagen war es ihr mehrfach widerfahren, dass Leute demonstrativ die Gassenseite wechselten, wenn sie Katharina gewahrten. Zuweilen wurde auch mit Fingern auf sie gezeigt, und sie vernahm gehässige Bemerkungen wie »Mördertochter« oder »Teufelsbalg«. Es war der reinste Spießrutenlauf. Außerdem erhielt sie kaum noch Aufträge zur Totenwäsche. Doch Katharina hatte sich fest vorgenommen, sich von dem gemeinen Pöbel nicht den Schneid abkaufen zu lassen, und parierte die Verunglimpfungen mit abgrundtiefer Verachtung und undurchdringlichem Gleichmut.
    Es war ein langer Weg bis zum Heiliggeistspital, wo sie Doktor Stefenelli vermutete, der dort an den Nachmittagen Krankenbesuche abzuhalten pflegte. Der Schnee knirschte unter ihren Filzstiefeln, während sie die Stadtmauer entlanglief. Just als sie die Fahrgasse überqueren wollte, um linker Hand in die Friedbergergasse einzubiegen, wo sich das Spital befand, traf sie auf Florian.
    »Seid gegrüßt«, begrüßte sie ihn reserviert. Wenngleich sie sich sonst immer freute, den jungen Maler zu sehen, heute stand ihr nicht der Sinn nach einem freundschaftlichen Plausch. Seine Augen indessen strahlten vor Freude.
    »Schön, Euch zu sehen, Katharina. Wie geht es Euch denn so?«, erkundigte er sich mitfühlend.
    »Geht schon«, erwiderte Katharina knapp.
    »Und wie war es bei den Stockarns? Ich habe Euch schon tagelang nicht mehr gesehen … Fesch seht Ihr übrigens aus. Die feine Haube und das hübsche Kleid stehen Euch gut«, sprudelte es aus ihm heraus.
    »Dank Euch, aber ich bin in Eile«, entgegnete Katharina ausweichend. »Gehabt Euch wohl.«
    Aber Florian hielt sich weiterhin an ihrer Seite.
    »Wo müsst Ihr denn hin? Vielleicht können wir ja ein Stück zusammen gehen. Ich muss in die Friedbergergasse, zur Badestube am Knäbleinsborn. Da hat die Malerzunft jeden zweiten Freitag im Monat ihren Innungsbadetag …«
    Just in diesem Moment wurde aus einem Hausfenster direkt über ihnen ein Kübel mit stinkenden Fäkalien auf die Gasse geschüttet. Wären sie nicht gerade noch zur Seite gesprungen, hätte sie der Unrat von Kopf bis Fuß besudelt. Verärgert blickten Katharina und Florian nach oben und bemerkten eine korpulente Matrone im Fensterrahmen, die heimtückisch auf sie hinabschaute.
    »Kannst du nicht achtgeben, du alte Vettel! Hier unten gehen Leute vorbei«, rief ihr Florian erbost zu.
    »Verbrennen sollten sie dich, du rothaarige Hexe!«, keifte die Alte hasserfüllt. »Eine Schande, dass man euch Leichenfrevler nicht schon längst alle eingesperrt hat.« Nun wurden auch aus anderen Fenstern stinkende Abfälle nach Katharina geworfen.
    »Verfluchtes Dreckspack«, schrie sie gellend. »Mein Vater ist unschuldig!«
    Im nächsten Augenblick prallte etwas gegen ihren Hinterkopf, sie spürte einen heftigen Schmerz und sank bewusstlos zu Boden.
    Besorgt beugte sich der junge Maler über sie und hob fürsorglich ihren Kopf an. Unversehens waren seine Hände voller Blut.
    »Ach Gott, du Arme!«, stammelte er entsetzt. »Stirb mir bloß nicht …« Entschlossen ging er in die Knie und hievte Katharina hoch. Als er die grazile Frau in den Armen hielt, flüsterte er ihr liebevoll zu:
    »Du brauchst keine Angst zu haben, meine Liebste, ich werde dir helfen.« Er warf noch einen kurzen Blick auf die Häuserfronten, deren Fenster nun alle geschlossen waren. Die Bewohner hatten sich verstohlen zurückgezogen.
    »Feiges Mörderpack!«, rief er erbost und wandte sich mit der Ohnmächtigen auf seinen Armen zum nahe gelegenen Heiliggeistspital.
     
    Aus den Aufzeichnungen
eines

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