Das Geheimnis der Totenmagd
und hielt sich mit dem Wagen in Richtung Rossmarkt. Als Florian wie selbstverständlich mit ihnen weitergehen wollte, blieb der Nachtwächter stehen und beschied ihn unwirsch:
»Ihr könnt jetzt heimgehen, Kunstmaler. Wir brauchen Euch nicht mehr.«
Florians Augen blitzten zornig auf, er hielt jedoch an sich und murmelte nur mit besorgtem Blick auf die ohnmächtige Katharina: »Gottes Segen für Eure Frau, Herr Nachbar.« Unwillig blieb er in der Galgengasse zurück.
*
Nach der rüden Abfuhr durch Katharinas Ehemann war Florian missmutig in die Werkstatt seines Meisters in der Kanngießergasse zurückgekehrt. Dort mischte er, düster vor sich hin brütend, bis zum Einbruch der Dämmerung Farben und grundierte das Tuch für das Altarbild. Auf dem Nachhauseweg beschloss er, in der Sandgasse vorbeizuschauen, um sich nach Katharinas Wohlergehen zu erkundigen und ihr womöglich sogar einen kleinen Besuch abzustatten.
Nachdem er dem Diener an der Tür erklärt hatte, er wünsche den Arzt zu sprechen, ließ dieser ihn in der Halle warten. Nach einer Weile erschien Doktor Stefenelli und fragte in kühlem Tonfall nach seinem Begehr.
»Ich wollte nur fragen, wie es der Bacherin geht«, antwortete Florian höflich.
»Es geht ihr gut. Sie schläft und braucht absolute Ruhe«, erklärte der Arzt kurz angebunden und bedachte den jungen Maler mit einem hochmütigen Blick.
Als Florian daraufhin keinerlei Anstalten traf, sich wieder zu entfernen, sondern ein wenig verlegen von sich gab: »Ich … ich möchte sie so gerne sehen. Kann ich vielleicht zu ihr?«
»Ich wüsste nicht, warum«, erwiderte Stefenelli abweisend. »Ihr seid ja schließlich nicht ihr Ehemann.« Dann ging er entschlossen zur Tür und öffnete sie.
»Fort mit dir, Schmierfink, und stehl mir nicht mehr länger meine Zeit«, zischte er bösartig.
»Was ist denn in Euch gefahren? Seid Ihr nicht mehr ganz bei Trost?«, murmelte der junge Maler entgeistert, dem angesichts der unverblümten Feindseligkeit regelrecht der Atem stockte.
Am liebsten hätte er Stefenelli am Kragen gepackt und ihm eine schallende Ohrfeige verpasst, doch da traf ihn ein heftiger Fußtritt am Steißbein und schleuderte ihn unsanft hinaus aufs harte Straßenpflaster.
*
Katharina blinzelte, nieste und schlug die Augen auf, in deren Winkeln sich, wie nach einem bleiern tiefen Schlaf, kleine Tränentropfen gesammelt hatten. Sie blickte sich erstaunt um und gewahrte Doktor Stefenelli, der auf einem Stuhl neben ihrem Bett saß.
»Wo bin ich?«, hauchte sie schwach und bemerkte, dass ihre Nase verstopft war.
Stefenelli lächelte seine Patientin freundlich an. »Ihr befindet Euch im Haus ›Zum Greif‹ in der Sandgasse, meinem Wohnhaus, in dem ich auch einen Behandlungsraum habe.«
»Was ist passiert?«
»Ihr seid während der Hinrichtung Eures Vaters zusammengebrochen und hattet einen schweren Blutsturz, was in Anbetracht der Umstände wohl nicht verwunderlich ist. Ich hatte im Spital gehört, dass man Euch genötigt hat, bei der Hinrichtung anwesend zu sein. Da ich schon ahnte, dass Ihr für Derartiges noch zu schwach seid, bin ich mit meinem Felleisen, in dem sich stets die wichtigsten Notfallmedikamente befinden, hinaus aufs Galgenfeld geeilt. Und gerade noch rechtzeitig – ihr hattet viel Blut verloren und wart ohne Bewusstsein. Daher habe ich Euch hierherschaffen lassen.« Der Arzt tätschelte ihr die Schulter. »Eure Wunde am Hinterkopf ist übrigens schon gut verheilt, ich habe Euch noch einmal einen neuen, feschen Verband angelegt, den Ihr schon in ein paar Tagen abnehmen könnt. Von Eurem Ehemann soll ich Euch herzliche Grüße bestellen, er war nur schwer zu bewegen, von Eurer Seite zu weichen und Euch hier zurückzulassen, und Euren Nachbarn, diesen jungen Kunstmaler, der bei Eurem Transport geholfen hat, musste ich sogar regelrecht hinauskomplimentieren.«
Spöttisch mokierte sich der Arzt: »Ich glaube fast, dieser Schöngeist hat sich bis über beide Ohren in Euch verliebt!« Dann erklärte er: »Morgen früh, wenn sein Nachtwächterdienst zu Ende ist, wird Euch Euer Mann bei mir abholen und Euch nach Hause begleiten. Heute Nacht schlaft Ihr hier und seid versichert: Ihr seid bei mir in den besten Händen.«
Katharina fühlte sich unsagbar kraftlos und hatte Mühe, dem Arzt überhaupt zu folgen. Alles war ihr gleichgültig, es war, als wäre sie völlig ausgebrannt.
»Was ist mit meiner Nase?«, fragte sie mit gesenkter Stimme.
»Die solltet Ihr tunlichst in den
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