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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Menge, die das grausige Schauspiel mit frenetischem Beifall und lauten Jubelrufen quittierte. Seine Rechnung war gottlob aufgegangen.
    *
    Als Katharina die verzweifelten Todesschreie des Vaters hörte, quoll ihr in dichten Schüben das Blut aus der Nase, und sie brach ohnmächtig auf dem Richtplatz zusammen. Ihn so entsetzlich leiden zu sehen und nichts dagegen unternehmen zu können war mehr gewesen, als sie verkraften konnte.
    Ruprecht Bacher hatte ihren Kopf auf seine Knie gebettet und versuchte vergeblich, mit einem Stofffetzen, den er sich aus dem Hemd gerissen hatte, die starke Blutung zu stillen. Keiner der Umstehenden machte Anstalten, ihm behilflich zu sein, im Gegenteil, eine sonntäglich herausgeputzte Matrone in ihrer Nähe keifte mit vor Rage gerötetem Gesicht: »Recht so. Verrecke nur, du Mörderbalg!«, und spie hasserfüllt auf die Hilflose. Weitere unflätige Beschimpfungen waren zu vernehmen, und Bacher wurde angesichts der wachsenden Wut um ihn herum von blanker Furcht gepackt.
    »Bitte helft mir doch, sie wegzubringen. Sie verblutet mir noch unter den Händen!«, wandte er sich flehend an einen der Stangenknechte, der unweit von ihnen stand und mit völlig ungerührter Miene das Geschehen auf dem Schafott verfolgte.
    »Nichts da, die bleibt hier, bis die da oben mit dem fertig sind! So lautet meine Anweisung, und jetzt lasst mir gefälligst meine Ruh«, beschied er den Nachtwächter barsch, während er das Blutgerüst keinen Moment aus den Augen ließ.
    Als Bacher sich wieder über seine Frau beugte, der das Blut weiterhin wie ein sprudelnder roter Quell aus der Nase strömte, und sich gerade einen weiteren Fetzen aus seinem Hemd reißen wollte, erkundigte sich neben ihm jemand, ob er helfen könne. Erstaunt blickte Bacher auf und gewahrte vor sich einen hochaufgeschossenen, jungen Mann mit rotblonden gelockten Haaren, die ihm bis auf die Schultern fielen, und einem schwarzen abgewetzten Samtbarett auf dem Kopf.
    »Mein Name ist Florian Hillgärtner. Ich bin Kunstmaler und wohne in dem kleinen Häuschen an der Stadtmauer direkt neben Euch. Ich kenne Eure Frau, ich habe sie am Freitag auch ins Spital gebracht«, erläuterte der junge Mann betreten und ließ sich neben Bacher auf dem Boden nieder.
    »Ach, Ihr wart das! Euch schickt der Himmel«, erwiderte der Nachtwächter erleichtert und ergriff dankbar die Hand des Mannes, der ihn mit seinem feingeschnittenen, bartlosen Gesicht und den sanften hellgrünen Augen an einen der Erzengel auf dem Altargemälde in der Katharinenkirche erinnerte. Dann ließ er den jungen Mann gewähren, der ein Stück Leinwand aus der Tasche zog, das er behutsam an Katharinas Nase presste. Erstaunt bemerkte der Nachtwächter, wie dem jungen Maler die Tränen über die Wangen liefen, und er war ein wenig befremdet über das große Mitgefühl des Fremden.
    Er deutete auf die Stangenknechte. »Eigentlich müsste man sie an einen ruhigen Ort schaffen und ihr kalte Kompressen auf die Stirn und den Nacken legen, aber diese Schurken erlauben nicht, dass ich sie wegbringe«, sagte er.
    »Dann müssen wir versuchen, sie hier so gut es geht zu versorgen«, entgegnete der Maler. »Später, wenn das ganze Spektakel vorbei ist, bringen wir sie wieder ins Spital.« In großer Sorge betrachtete er Katharinas bleiches Antlitz. »Hoffentlich hält sie noch so lange durch«, stammelte er bekümmert, strich ihr mit liebevoller Geste eine Haarsträhne aus der Stirn und wischte sich hastig die Tränen aus den Augenwinkeln.
    »Woher kennt Ihr eigentlich meine Frau?«, erkundigte sich Bacher nun doch mit einem Anflug von Argwohn.
    »Ich habe sie manchmal auf der Gasse getroffen, und da sind wir halt das eine oder andere Mal ins Gespräch gekommen«, antwortete Hillgärtner leicht verlegen und vermied es, den Nachtwächter anzublicken. »Sie ist eine so freundliche Dame und hat so ein … ein schönes Lächeln«, fügte er hinzu. Errötend gewahrte er Bachers entrüsteten Gesichtsausdruck.
    »Na ja, da hat der junge Herr Kunstmaler wohl Gefallen an meiner Frau gefunden«, grummelte der Nachtwächter. »Aber über eines müsst Ihr Euch im Klaren sein, mein lieber Herr Nachbar: Eure Angebetete ist bereits vergeben.«
    »Ich hege keinerlei unlautere Absichten«, beeilte sich der Maler zu versichern.
    Da befahl plötzlich eine Stimme über ihren Köpfen: »Tretet zur Seite, und lasst mich nach der Kranken sehen!«
    Der vornehm gewandete Mann im knielangen, pelzgefütterten Mantel, mit einer feinen

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