Das Geheimnis der Wellen
den Mauern gab es Geheimtreppen für die Dienstboten, damit diese der Familie und ihren Gästen nicht begegnen mussten. Kurz nach ihrem Einzug hat Hester sie zumauern lassen. Eli machte den Fehler, ihr zu sagen, dass er sich als Kind dort verlaufen hatte. Ich nehme an, dass er schamlos übertrieben hat. Das war seine Art, eine gute Geschichte zu erzählen. Aber sie hat ihren Willen durchgesetzt. Ich habe die Treppen selbst zugemauert, zusammen mit drei Leuten, die ich dafür angeheuert hatte. Was nicht zugemauert wurde, haben wir zum Frühstücksraum, zu einem weiteren Schlafzimmer und zum Bad im zweiten Stock umgebaut.«
»Das wusste ich gar nicht.«
»Hester war gerade mit deinem Vater schwanger, als wir die Arbeiten ausgeführt haben. Jeder, der einmal in Bluff House wohnte, hat es auf die eine oder andere Weise geprägt. Wie sehen deine Pläne aus?«
»Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Das Haus gehört schließlich meiner Großmutter.«
Stoney nickte lächelnd. »Hol sie wieder nach Hause.«
»Genau das habe ich vor. Vielleicht können Sie mir etwas genauer beschreiben, wo diese Geheimtreppen waren.«
»Ich weiß was Besseres.« Stoney griff nach einer Serviette und zog einen Bleistift aus seiner Tasche. »Meine Hand ist zwar nicht mehr so sicher wie früher, aber mit meinem Oberstübchen ist nach wie vor alles in Ordnung.«
*
Der Pub machte zu. Obwohl Stoney doppelt so viel getrunken hatte wie er, war Eli froh, dass er nicht mehr nach Hause fahren musste. Stoney war ebenfalls zu Fuß unterwegs.
»Wir nehmen dich mit«, sagte Eli.
»Das ist nicht nötig. Ich wohne nur einen Stoneywurf weit weg.« Er lachte über seinen eigenen Witz. »Außerdem scheint schon wieder ein Landon ein Auge auf mein Mädchen geworfen zu haben.«
»Ich weiß allerdings nicht, ob auch er in der Lage ist, meine Fliegengittertür zu reparieren.« Abra gab Stoney ihren Arm. »Ich nehme Elis Autoschlüssel und bringe uns drei nach Hause.«
»Ich bin nicht mit dem Wagen da. Ich bin davon ausgegangen, dass wir mit deinem zurückfahren.«
»Ich bin zu Fuß gekommen.«
Eli musterte verwirrt ihre schwarzen High Heels. »In diesen Schuhen?«
»Nein, in diesen hier.« Sie zog grüne Crocs aus der Handtasche. »Und die werde ich jetzt auch wieder anziehen, wenn wir nach Hause laufen müssen.«
Gesagt, getan. Als sie den Pub verließen, nahm Abra beide Männer an die Hand. »Anscheinend habe ich heute im Lotto gewonnen. Gleich zwei gut aussehende Kerle.«
Nur, dass beide ein wenig betrunken waren.
Trotz seiner lautstarken Einwände machten sie einen kleinen Umweg, um Stoney bis an die Tür seines gepflegten kleinen Häuschens zu bringen. Sie waren zwei Meter davon entfernt, als schrilles Gebell ertönte.
»Ist ja gut, Prissy, ist ja gut.«
Aus dem Gebell wurde ein aufgeregtes Winseln. »Die alte Dame ist halb blind«, sagte Stoney. »Aber ihr Gehör ist noch einwandfrei. An der guten alten Prissy kommt so schnell niemand vorbei. Jetzt macht, dass ihr nach Hause kommt, ihr zwei! Und tut, was ein gesundes Paar in eurem Alter an einem Freitagabend so tut.«
»Bis Dienstag.« Abra küsste ihn auf die Wange.
Sie schlenderten davon, warteten jedoch, bis das Licht anging, bevor sie auf die Küstenstraße zurückkehrten. »Dienstag?«, fragte Eli.
»Ich putze jeden zweiten Dienstag bei ihm.« Abra klemmte ihre Handtasche fester unter den Arm. »Seine Mary habe ich leider nicht kennengelernt, sie ist vor fünf Jahren gestorben. Sie haben drei Kinder, einen Sohn und zwei Töchter. Der Sohn lebt in Portland und eine der Töchter in Seattle. Die nächsten Verwandten wohnen in Washington D. C., trotzdem kommen sie ziemlich regelmäßig zu Besuch. Enkel gibt es ebenfalls. Es sind acht, und bisher hat er fünf Urenkel. Stoney kommt gut allein zurecht, aber es kann nicht schaden, wenn man von Zeit zu Zeit nach ihm sieht.«
»Du putzt dieses Haus also alle zwei Wochen.«
»Und ich mache Einkäufe für ihn, denn er fährt nur noch selten Auto. Der Sohn des Nachbarn ist ganz verrückt nach ihm. So gesehen, vergeht kaum ein Tag, an dem niemand vorbeikommt oder anruft. Ich bin auch ziemlich vernarrt in Stoney. Wenn ich ihn heirate, baut er mir ein eigenes Yogastudio.«
»Ich könnte dir ebenfalls …« Eli dachte über sein handwerkliches Geschick nach. »… ein Yogastudio bauen lassen.«
Mit klimpernden Wimpern sah sie zu ihm auf. »Ist das ein Heiratsantrag?«
»Wie bitte?«
Lachend hakte sie sich bei ihm ein. »Ich hätte
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